Pharmakon
abtastete.
Die Tür zum Korridor öffnete sich, und Dr. Vandermer trat ein, gekleidet in eine Chirurgengarnitur. Jennifer fühlte sich augenblicklich besser, als sie ihn sah.
»Wie geht es Ihnen?« fragte er.
»O.k. würde ich sagen«, sagte Jennifer schwach.
Jennifer hätte gerne gehabt, wenn er noch etwas anderes gesagt hätte, er aber starrte sie nur mit diesen Augen an, deren Lider sich nicht zu bewegen schienen. Sie blickte die Krankenschwestern fragend an, aber sie schienen an seinem Schweigen nichts Merkwürdiges zu finden. Dann schien Vandermer aus seiner Trance zu erwachen und bat die Schwestern, ihm das Anästhetikum zu reichen.
»Sie werden jetzt nur einen kleinen Stich spüren«, sagte Dr. Vandermer tonlos. Mit einer geschickten Bewegung ließ er die Nadel unter Jennifers Haut gleiten.
Indem sie die Augen schloß, versuchte Jennifer, auch ihren Verstand gegen all das abzublocken, was gleich mit ihr geschehen würde.
*
Die Taxifahrt vom Kennedy-Flughafen zur Julian-Klinik war haarsträubend. Sobald Adam seine Zwanzig-Dollar-Note hatte sehen lassen, reagierte der Fahrer, als ob er sich in einem Rennen um sein Leben befinde. Er brachte den Wagen nach weniger als dreißig Minuten kreischend vor dem Krankenhaus zum Stehen. Adam warf ihm die zwanzig Dollar zu und rannte die Treppe hinauf, ohne auf sein Wechselgeld zu warten.
Er unterbrach die plaudernden Mädchen an dem Empfangstisch und fragte, wo Dr. Vandermer operiere.
»Er führt bei meiner Frau eine Abtreibung durch«, keuchte er.
»Schwangerschaftsbeendungen werden auf der sechsten Etage durchgeführt, aber…«
Adam wartete nicht darauf, daß sie ihren Satz beenden würde. Er drückte sich in einen Fahrstuhl, gerade als sich die Türen schlossen, und ignorierte die Empfangsdame, die ihm nachrief, es sei ihm nicht gestattet, ohne Begleitung auf die sechste Etage zu fahren.
Als der Fahrstuhl anhielt, stieg Adam aus und ging auf die Doppeltür am Ende des Korridors zu, auf der »Behandlungszimmer« stand. Als er an dem Schwesternzimmer vorbeikam, bemerkte er das ausgewählte antike Mobiliar und fragte sich, was die Julian-Klinik zu beweisen versuche.
Eine der Schwestern schrie ihm nach, er solle sofort anhalten, aber Adam lief weiter. Er ging durch die Doppeltüren und öffnete das erste Behandlungszimmer. Es war leer. Er ging zum nächsten. Eine Krankenschwester versuchte, ihm den Weg zu versperren, aber dennoch konnte er über ihre Schulter einen Blick auf das Gesicht der Patientin werfen. Es war nicht Jennifer.
Adam ging zur anderen Seite des Korridors und öffnete eine weitere Tür.
»Was genau glauben Sie eigentlich, daß Sie hier tun?« fragte eine Schwester mit deutschem Akzent.
Adam stieß die Frau grob zur Seite. Er sah, wie sich Dr. Vandermer über den Tisch beugte. Er hielt eine Spritze, deren Nadel unter dem Oberlicht funkelte.
»Jennifer!« rief Adam, erleichtert, daß die Operation nicht weiter fortgeschritten war, als daß ihr ein lokales Anästhetikum gegeben worden war. »Mach das bitte nicht. Laß die Abtreibung nicht durchführen. Nicht ohne weitere Tests.«
Jennifer begann sich aufzusetzen, als zwei Pfleger durch die Tür eilten und Adams Arme hinter seinem Rücken festhielten. Adam bemerkte, daß beide Männer den gleichen lidschlaglosen Blick hatten wie die Stewards auf dem Schiff.
»O.k. o.k.«, sagte Adam. »Sie haben Ihren Standpunkt klargestellt. Sie sind stärker als ich. Jetzt lassen Sie mich freundlichst los.«
»Adam Schonberg?« fragte Dr. Vandermer. Bis er Adams Stimme gehört hatte, hatte er geglaubt, sie hätten es mit einem psychotischen Fremden zu tun. »Was machen Sie hier? Jennifer hat mir gerade erzählt, Sie seien auf Reisen.«
»Führen Sie die Operation bitte nicht weiter durch. Da gibt es etwas, das ich Ihnen mitteilen muß.«
Als ob er sich plötzlich an die Pfleger erinnerte, klopfte Dr. Vandermer dem nächsten auf die Schulter und sagte: »Ich kenne diesen Mann. Sie können ihn loslassen.« Er band seine Gesichtsmaske los und ließ sie auf die Brust herunterfallen.
Die Pfleger ließen Adam los, gerade als sich die Tür zum Korridor öffnete und eine Reihe von Mitarbeitern der Klinik hineinspähten, um festzustellen, was passiert sei.
»Alles unter Kontrolle«, sagte Dr. Vandermer. Und indem er die Pfleger ansprach, sagte er: »Warum warten Sie beide nicht draußen.«
Sobald sie gegangen waren, führte er Adam in ein kleines Vorzimmer und versprach Jennifer, sie würden beide in
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