Pinguinwetter: Roman (German Edition)
sagen?
»Geh bitte dringend duschen!«
Wenn’s nur das ist, dachte ich und nickte stumm, den Wunsch erfülle ich dir gerne. Das schaffe ich gerade noch.
Als ich, einen nassen Schokoriegel kauend, zurück aus der Dusche kam, war Mona immer noch damit beschäftigt, den ein oder anderen essbaren Schatz aus den Untiefen meiner Wohnung zu bergen.
»Ach herrje, Charly! Die übelste aller Phasen! Die unkontrollierte depressive Fressphase«, kommentierte Mona das Ganze, nicht ohne ihr Gesicht vorwurfsvoll-bekümmert zu verziehen. »Sogar unter der Dusche?!«
Ich nickte betroffen.
»Hör mal, Süße, das hier ist auch keine Lösung! Das bringt doch nichts! Danach fühlt man sich nur noch schlechter. Und wenn dir erst mal die Hosen nicht mehr passen, hast du gleich die nächste Krise. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Is’ mir egal«, nuschelte ich mit dem halben, ziemlich aufgelösten Milky Way im Mund. »Wenn ich eh hier versauere, dann kann ich auch mies aussehen.« Ich schluckte. »Man soll mir das ruhig ansehen. Und in Zukunft brauche ich sowieso nur noch Schlafhosen. Die hier zum Beispiel.« Ich deutete auf meine lila Lieblingsnickihose mit dem Gummizug, die ich gerade trug. »Die ist schön praktisch. Passt ganz viel rein. Meine schicken Sachen ziehe ich doch ohnehin nicht mehr an, jetzt wo ich ar-beits-los bin.«
»Und wenn du es noch so oft betonst, Charly, damit bedauert dich keiner mehr. Und lass dieses Unwort. Du bist im Moment nur auf der Suche nach einem neuen Projekt, das ist alles. Wir werden schon noch was für dich finden. Komm, lass den Kopf nicht hängen, ja? Mir und Finn zuliebe!«
Mona stopfte zu meinem und Finns Bedauern die letzten Reste in die Tüte.
»Nicht die Küsschen! Die muss ich noch aufessen. Das Beste zum Schluss!«, protestierte ich und entriss Mona die Packung.
»Das hast du wirklich alles alleine gegessen?«, fragte Mona ungläubig. »In was für einem Zeitraum?«
»Na, heute. Zwei Stunden oder so«, antwortete ich elend.
Mona schüttelte den Kopf und schmunzelte. »Ich sag nur Williams Christ.«
Das war mal wieder typisch Mona. In den härtesten Momenten meines Lebens setzte sie noch einen drauf und spielte auf meine kleine Neigung zur Birnenfigur an.
»Solange die Vierzig passt, esse ich, was ich will«, protestierte ich grummelnd.
»Wenn du nur Sachen mit Gummizug trägst, musst du dich nicht wundern, dass alles passt. Die Frage ist nur, was du machst, wenn du jemals wieder ordentliche Sachen tragen musst.«
Mona hatte wieder ihren berühmten Oberlehrerton drauf, den ich gar nicht mochte. Er kam direkt nach dem Mutterton, den Trine sehr gut beherrschte.
»Du siehst aus wie ein verdammtes lila Glücksbärchi!«
Ich schnaufte.
»Nur eben nicht glücklich.«
Das musste sie ja noch loswerden. Mona ließ einfach nie locker.
»Ich glaube, mir ist schlecht.« Ich rollte mich auf dem Sofa in meiner Kuscheldecke zusammen. »Außerdem verlasse ich die Wohnung sowieso nie mehr. Gummizug hin oder her.«
»Aber sicher tust du das. Solange du meine Freundin bist, werde ich zu verhindern wissen, dass du hier versauerst und dich in Selbstmitleid suhlst. Los, auf!« Mona zerrte an meiner Kuscheldecke. »Wir drei machen jetzt einen langen Spaziergang. Dann kriegst du endlich mal den Kopf frei. Und wir können gemeinsam überlegen, was du machen könntest. Eine Lösung werden wir schon finden, wenn auch vielleicht nicht heute. Irgendwas wirst du schon noch machen.«
Eigentlich gefällt es mir ganz gut in meiner selbsterschaffenen Lethargiewelt aus Schokolade, dachte ich.
Mona ließ nicht locker und überredete mich schließlich, mit ihr und Finn in den Park zu gehen.
»Aber meinen Hausanzug lasse ich an! Ich brezel mich sicher nicht für irgendwelche Latte-macchiato-Mütter im Park auf!«
»Meinetwegen. Und wenn dir dein Traummann über den Weg läuft, versteckst du dich einfach.«
»Ganz sicher läuft der nicht am helllichten Tag im Park rum und sucht nach mir.« Trotzig schob ich noch hinterher: »Der ar-bei-tet nämlich!«
Ich schlüpfte in meine ausgelatschten Sneakers, und wir gingen los. Die Luft war immer noch schön frisch und belebend, obwohl es schon weit nach Mittag war. Finn beschäftigte sich auf dem Weg eingehend mit den Pfützen vom Vortag und war wie immer engagiert, auch andere, vorzugsweise in Weiß gekleidete Spaziergänger, an seiner Freude teilhaben zu lassen.
»Wie viele Leute an einem normalen Tag in der Woche frei haben … Was machen die
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