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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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hatte? Woher hätte er denn wissen sollen, dass das Wetter umschlagen würde? Er konnte schließlich nicht in die Zukunft schauen.
    Es kam ihm vor, als hätte er die in einem kleinen, bewaldeten Tal verborgene Ketty Jay schon vor Tagen verlassen. Da er nicht gesehen werden wollte und es darum nicht riskieren konnte, zu nah an seinem Ziel zu landen, hatte er sie auf der anderen Seite einer schmalen Gebirgskette runtergebracht. Der Marsch durch den Pass hätte etwa fünf Stunden dauern sollen. Höchstens sechs.
    Bei seinem Aufbruch war der Himmel klar gewesen, und die Sterne hatten gefunkelt, während das letzte Licht vom Himmel wich. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass ein Unwetter im Anzug war. Malvery hatte ihm mit einem fröhlichen Tschüss zum Abschied zugewunken und dann einen Schluck Rum auf den Erfolg seiner Expedition getrunken. Crake hatte mit den neuen Spielsachen gespielt, die er sich in Aulenfay besorgt hatte. Bess amüsierte sich damit, Bäume auszureißen und durch die Gegend zu werfen. Pinn hatte den Theaterschminkstift geklaut, den Frey im South Quarter gekauft hatte, und sich die Chiffre auf die Stirn gemalt – die sechs miteinander verbundenen Kugeln, das Symbol der Erwecker-Religion. Er stolzierte in den schlecht sitzenden Erwecker-Gewändern umher, die Frey sich auf den Leib schneidern lassen hatte, schnitt Grimassen und spielte den Clown.
    Frey war ungewöhnlich gut gelaunt gewesen, während er seines Weges ging. Sie waren alle aus Aulenfay zurückgekommen. Frey betrachtete das als Vertrauensvotum, selbst wenn sie in Wahrheit bloß keine besseren Alternativen gehabt
hatten. Doch trotz der Nachricht von Hengars Tod, die drohend über ihm hing, war er optimistisch. Quail in die Mangel zu nehmen, hatte ihm neue Energie gegeben. Dass er die schattenhafte Verschwörung gegen ihn nun mit einem Namen verbinden konnte, gab ihm eine Richtung und ein Ziel. Er hatte sich so ans Weglaufen gewöhnt, dass er vergessen hatte, wie es sich anfühlte, sich zu wehren, und er stellte zu seiner Überraschung fest, dass es ihm gefiel.
    Außerdem, dachte er heiter, konnte die Lage eigentlich gar nicht mehr schlechter werden. Ab einem gewissen Punkt spielte es im Grunde keine Rolle mehr, ob man ihn wegen Piraterie, Massenmord oder der Ermordung von Graf Hengar hängte, dem Erben des Erzherzogtums. Tot wäre er dann so oder so, wie auch immer man es betrachtete. Das bedeutete, dass er von nun an weitgehend tun konnte, was ihm gefiel.
    Seine muntere Stimmung hielt sich, während die ersten unheilverkündenden Wolken von Westen herangesegelt kamen und den Mond verdeckten. Er blieb beharrlich guter Dinge, als ihm die ersten Tropfen ins Gesicht klatschten. Dann kam der heulende Wind, der seiner Unbeschwertheit einen gewissen Dämpfer versetzte. Der Regen wurde zu einem Wolkenbruch, er verirrte sich und stellte dann fest, dass er keine Karte dabei hatte. Mittlerweile war ihm bitterkalt geworden, und er suchte verzweifelt nach einem Unterschlupf, aber es war keiner zu finden, und er hatte sowieso nicht genug Proviant, um bis zum Ende eines wirklich schlimmen Unwetters abwarten zu können. Er beschloss weiterzugehen. Er musste doch inzwischen fast schon am Ziel sein?
    War er aber nicht.
    Die Morgendämmerung fand ihn erschöpft und in
schlechter Verfassung. Seine Miene war so finster wie die Wolken über ihm. Er stapfte verbissen dahin, kämpfte sich mit gesenktem Kopf durch den Sturm. Seine gute Laune war verflogen. Was ihn jetzt weiter trieb, war nicht Optimismus, sondern Trotz. Er weigerte sich stehen zu bleiben, ehe er sein Ziel erreicht hatte. Jedes Mal, wenn er eine Anhöhe erklomm und sah, dass eine weitere vor ihm lag, wurde er wütender. Der Pass musste doch irgendwann zu Ende sein! Entweder er oder der Berg, und sein Stolz würde nicht zulassen, dass er von einem besseren Felsbrocken besiegt wurde, ganz egal, für wie groß der sich hielt.
    Schließlich legte sich der Wind, und der Regen verebbte zu einem Tröpfeln. Freys Laune hob sich ein wenig. Konnte es sein, dass das Schlimmste vorbei war? Er wagte nicht, sich diese Möglichkeit einzugestehen, aus Angst, die Elemente damit erneut herauszufordern. Das Schicksal hatte es irgendwie an sich, ihn auf diese Weise zu quälen. Die Allseele bestrafte Optimisten.
    Er kämpfte sich einen weiteren klatschnassen grünen Hang hinauf und schaute in das dahinter liegende Tal hinunter. Dort sah er endlich die Einsiedelei der Erwecker, in der Amalicia Thade eingesperrt war.
    Die

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