Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Wächter. »Bei unserer Ankunft mussten wir einen unserer Freunde im Tempel zurücklassen. Ist er noch dort? Können wir ihn retten?«
»Der Wolf«, nickte der Wächter. »Ja, er lebt noch, auch wenn sein Funke schwach geworden ist. Er ist noch immer unter dem Tor gefangen, und ihr werdet ihn befreien müssen, bevor ihr ihn mit euch ins Reich der Sterblichen nehmen könnt.«
»Kannst du das Tor nicht einfach öffnen?«, fragte Puck stirnrunzelnd.
»Der Heldenparcours wurde nie geschlossen«, erwiderte der Wächter ausdruckslos. »Solange euer Freund das Tor blockiert, bleibt der Weg offen. Das Tor muss erst vollständig geschlossen werden, bevor man es wieder öffnen kann.«
»Ich würde vorschlagen, ihr beeilt euch ein wenig.« Grimalkin erschien auf einem schwebenden Felsen über dem Abgrund und musterte uns herablassend. »Wenn euch so viel daran liegt, dem Köter zu helfen, tut es schnell, damit wir endlich gehen können. Ich für meinen Teil würde gerne noch in diesem Jahrhundert nach Hause kommen.«
Nach Hause , dachte ich mit einem sehnsuchtsvollen Stich in der Brust. Ja, es wurde Zeit, nach Hause zu gehen. Ich war schon zu lange fort. Ob Meghan wohl noch auf mich wartete? Oder hatte sie ihren Entschluss aus dem Traum wahr gemacht und aufgegeben, um mit einem anderen glücklich zu werden? Würde ich sie bei meiner Rückkehr womöglich in den Armen eines anderen vorfinden? Oder, noch schlimmer: als grausame Feenkönigin wie Mab, mächtig und gnadenlos, die nur mithilfe von Angst regierte?
Ja, ich fürchtete mich etwas, das ließ sich nicht leugnen. Ich hatte keine Ahnung, was mich am Ende meiner Reise erwarten würde. Doch was auch immer es war, selbst wenn Meghan mich vergessen hatte – ich würde zu ihr zurückkehren, koste es, was es wolle.
Wir hatten schon fast einen Fuß auf der Brücke, als der Wächter noch einmal das Wort an mich richtete: »Ritter!« Puck drehte sich zu ihm um, doch ich signalisierte ihm, schon vorzugehen. Er zog eine Grimasse, ließ uns dann aber allein. »Unterschätze nicht, was dir hier geschenkt wurde«, erklärte der Wächter leise, während Puck Grimalkin über die Brücke folgte. »In dir wohnt nun die Seele einer Winterfee. Du bist nicht länger Teil des Feenreiches, aber genauso wenig ein einfacher Sterblicher. Du bist … einzigartig.« Der Wächter trat einen Schritt zurück, und als er fortfuhr, glaubte ich leichte Belustigung in seiner sonst so ausdruckslosen Stimme zu hören: »Wir werden ja sehen, wohin dich das führt.«
Ich verneigte mich vor der verhüllten Gestalt und lief dann über die Brücke, den durchdringenden Blick des Wächters im Rücken. Doch als ich mich auf der anderen Seite noch einmal zu ihm umdrehte, war er verschwunden. Das gigantische Schloss schwebte davon, wurde kleiner und kleiner, bis es nicht mehr erkennbar mit dem Ende der Welt verschmolz.
Nachdem wir Grimalkin durch den Korridor zurück zum Tempel gefolgt waren, erreichten wir das mächtige Steintor des Heldenparcours. Einen Moment lang fürchtete ich, wir könnten zu spät kommen. Der Wolf lag reglos unter dem Tor und hatte den mächtigen Schädel auf die Vorderpfoten gelegt. Aus Maul und Nase quoll blutiger Schaum, sein Pelz war struppig und dünn, und unter der Haut zeichneten sich die Rippen ab. Durch den Spalt im Tor zerrten noch immer die Geister an ihm und versuchten, ihn in den Tempel zurückzuholen, auf dass er ewig mit ihnen eingeschlossen werde. Doch selbst in diesem scheinbar leblosen Zustand war er noch immer unverrückbar wie ein Fels.
»Schade«, bemerkte Grimalkin, als wir uns der reglosen Gestalt näherten. »Von einem Tor zerquetscht – nicht gerade das Ende, das man sich für den Großen Bösen Wolf so vorstellt. Dann war er wohl doch nicht unbesiegbar.«
Ruckartig schlug der Wolf die Augen auf. Als er uns sah, hustete er schwach und hob den Kopf. Das Blut lief ihm aus Maul und Nase, doch trotzdem brachte er hervor: »Du hast es also tatsächlich geschafft, kleiner Prinz. Da sollte ich wohl gratulieren, allerdings kümmert mich das gerade herzlich wenig.« Hechelnd ließ er den Blick zwischen Puck, Grim und mir hin und her wandern. Dann stellte er die Ohren auf. »Wo ist das Mädchen?«
Puck wich seinem Blick aus. Ich holte tief Luft und fuhr mir mit der Hand durch die Haare: »Sie ist nicht mehr.«
Der Wolf schien nicht überrascht zu sein. »Also, wenn ihr auf demselben Weg zurückgehen wollt, rutscht einfach unter dem Tor hindurch. Diese Geister sind zwar
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