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Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht

Titel: Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Kagawa
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mein altes Ich alles: alles, was uns hierhergeführt hatte, alles, was ich getan hatte. Ich versuchte zu sprechen, wollte um Vergebung flehen, wollte ihr sagen, dass sie mich nicht so in Erinnerung behalten durfte, aber meine Stimme versagte und ich brachte kein Wort heraus.
    Am Rande meines Gesichtsfeldes nahm ich noch jemanden wahr, der uns aus den Schatten heraus beobachtete. Derart unsere Privatsphäre zu stören war schrecklich, doch dann begriff ich, dass dieser Jemand hier nicht hingehörte, irgendwie war er nicht Teil dieser Realität.
    Meghan beugte sich über mich, und ich konnte sie zwar nicht hören, las aber von ihren Lippen, als sie murmelte: »Lebe wohl, Ash.« Dann drückte sie ihre Lippen auf meine Stirn und Dunkelheit umfing mich.

Die Fähre
    »Prinz.«
    Ich stöhnte.
    »Prinz.« Jemand tippte gegen mein Kinn. »Wach auf.«
    Ich wälzte mich auf meiner Matratze und bemühte mich, die Augen aufzuschlagen. Etwas Schweres drückte auf meine Brust, aber meine Lider waren so bleischwer vor Erschöpfung, dass ich sie nicht aufbekam. Ich war müde und wollte einfach wieder im Nichts versinken, selbst wenn dort verstörende Träume auf mich warteten.
    »Hmmm. Für einen so gut geschulten und leicht paranoiden Krieger bist du ziemlich schwer zu wecken. Na schön.« Zu meiner Erleichterung verschwand das Gewicht von meiner Brust. Ich hörte, wie etwas mit dumpfem Knall auf dem Boden landete und sich von mir weg bewegte. »Dann müssen wir wohl zu drastischeren Maßnahmen greifen.«
    Während ich noch überlegte, was es mit diesen »drastischeren Maßnahmen« auf sich haben könnte, hörte ich schnelle Schritte auf mein Bett zulaufen. Eine kurze Pause … dann landete dieses schwere Gewicht mit Schwung mitten auf meinem Bauch.
    »Aah!« Ruckartig setzte ich mich auf, als die Luft in einer tückisch schmerzhaften Entladung aus meiner Lunge gepresst wurde. Diesmal war ich wach, hielt mir die Rippen und warf Grimalkin einen finsteren Blick zu. Er hockte mit triumphierender, selbstzufriedener Miene auf dem Bett.
    »Also gut«, brachte ich zähneknirschend hervor und atmete langsam ein und aus, damit die Übelkeit verging. »Du hast meine volle Aufmerksamkeit. Was willst du, Kater?«
    »Aha«, schnurrte er, als wäre nichts passiert, »willkommen zurück. Fast hätte man meinen können, du wärst im Schlaf gestorben.« Er stand auf und schwenkte seinen Schwanz. »Es gibt Probleme. Das Boot ist da, aber ich kriege die anderen nicht wach.«
    »Boot?«
    Der Kater verdrehte die Augen. »Ja, Boot. Die Fähre ans Ende der Welt, die ihr unbedingt nehmen wolltet? Hast du dir vielleicht den Kopf gestoßen, bevor ich dich geweckt habe?« Er wurde mit einem Schlag ernst und musterte mich prüfend. »Die anderen lassen sich nicht wecken, und es ist höchst untypisch für dich, etwas derart Wichtiges zu vergessen. Wie fühlst du dich?«
    Ich fand es meinerseits höchst untypisch für Grimalkin, dass er sich nach meinem Wohlbefinden erkundigte, doch dann runzelte ich verwirrt die Stirn. »Müde«, gab ich zu. »Fast schon ausgelaugt.«
    Grimalkin nickte. »Das habe ich mir gedacht. Irgendetwas hier saugt dir die Kraft aus, deine Magie, deine Erinnerungen.« Er blinzelte irritiert und schüttelte sich. »Selbst mir fällt es schwer, die Augen offenzuhalten. Komm.« Abrupt wandte er sich ab und sprang vom Bett. »Wir müssen die anderen wach bekommen. Wenn wir die Fähre nicht rechtzeitig erreichen, wird sie ohne uns abfahren, und dann sitzt ihr hier für immer fest.«
    Ich stand auf und musste irritiert feststellen, dass sich alles drehte. Schnell rieb ich mir die Augen und wollte Grimalkin folgen, aber ein leises Geräusch vor dem Fenster ließ mich innehalten. Ich lehnte mich an die Wand, spähte durch die Scheibe und schnappte überrascht nach Luft.
    Der Gasthof war von Vergessenen umzingelt. Die hohläugigen, verblassten, ausgehungerten Kreaturen standen Schulter an Schulter auf der schlammigen Straße und starrten mit schlaff herabhängenden Kiefern zu mir hinauf. Wie lange standen sie wohl schon dort und sogen unseren Schein auf, unsere Erinnerungen? Wie lange würde es noch dauern, bis wir so wurden wie sie, leer und hohl, schwarze Löcher, die jedes bisschen Leben verschluckten?
    Taumelnd trat ich vom Fenster zurück und ging auf den Flur hinaus, wo Grimalkin bereits mit ungeduldig zuckendem Schwanz auf mich wartete.
    »Beeilung«, zischte er und ging in das Zimmer nebenan. Kopfschüttelnd vertrieb ich meine Benommenheit

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