Ploetzlich Mensch
die weibliche Stimme. Dean versuchte auszumachen, welcher der anwesenden Personen sie gehörte. Links von ihm stand jemand mit langem rotem Haar. Vermutlich war das die Frau, die Saphira genannt worden war.
„ Rede gefälligst, wenn du gefragt wirst, Kerl!“, erklang Grisoms tiefe Stimme.
Sie gehörte einer kleinen, bärtigen Gestalt rechts von ihm. Ein Zwerg, wie Dean vermutete. Ein garstiger Zwerg, dessen Stiefel ihn nun unsanft in die Seite traf, was erneut Übelkeit in seinem Magen au f steigen ließ. Er keuchte und versuchte sich aufzurichten, musste aber feststellen, dass er noch immer gefesselt war.
„ Wer zur Hölle seid ihr und was wollt ihr von mir?“ Es war kaum zu glauben. Was bildeten sich diese Leute ein, ihn auf offener Straße zu entführen und nun hier wie einen nassen Sack herumzutreten?
„ Haltet ihn fest“, rief die Rothaarige.
Sogleich legten sich feste Hände um seine Schultern und drückten ihn zurück auf den Fußboden. Das Gesicht der Frau war plötzlich über ihm. Erstaunt registrierte er, wie hübsch sie war. Jung und attraktiv. Ihre grünen Augen musterten ihn eingehend. Dann streckte sie ihre Hand nach ihm aus. Er verstand nicht, was sie vorhatte, bis ihre Finger seine Stirn berührten und sie in seinen Geist eindrang. Es war die schrecklichste Empfindung, die er in seinem ganzen Leben je verspürt hatte. Zuerst war es wie ein heftiger Stromstoß, der in seinen Körper drang. Dann hatte er das Gefühl, als würde etwas seinen Kopf aufre i ßen, um in die hintersten Winkel seiner Seele vorzudringen und auch die kleinste Kleinigkeit darin offenzulegen. Er fühlte sich nackt und ausgeliefert und er konnte nichts dagegen tun. Die Muskeln seines Körpers wollten ihm nicht mehr gehorchen. Er wollte schreien, doch seine Stimmbänder brachten keinen Ton hervor. Er konnte nur da li e gen und es über sich ergehen lassen. Er war völlig hilflos ihrem eiska l ten, alles durchdringenden Blick ausgeliefert.
Als sie endlich von ihm abließ, sank er benommen zurück auf den Boden und erbrach bitter schmeckenden Magensaft auf das glänzende Parkett.
„ Ich weiß jetzt, was geschehen ist“, verkündete die Frau, ohne ihn noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Alle Anwesenden wandten sich ihr erwartungsvoll zu.
„ Was habt Ihr gesehen, Saphira?“, wollte ein glatzköpfiger Mann in weißer Robe wissen.
Bei genauerer Betrachtung stellte Dean fest, dass alle, die nun mit spürbarer Neugier die rothaarige Hexe umringten, weiße Roben trugen. Bei was für einer obskuren Sekte war er hier gelandet?
Er versuchte zu verstehen, was sie sprachen, während sein Geist noch immer Schwierigkeiten hatte, die Verbindung zu seinem Körper wiederherzustellen. Die Frau gab in knappen Worten die Informati o nen, die sie aus seinem Kopf gezogen hatte, an die Umstehenden we i ter. Das Bild, das sie dabei von ihm zeichnete, war nicht gerade rüh m lich. Um genau zu sein, stellte es ihn als kaltes, unbarmherziges Mon s ter dar, das ohne Skrupel über die hilflose Prinzessin hergefallen war.
Verflucht! Das war ganz und gar nicht gut. Er musste dringend etwas für sein Image tun, sonst könnte die ganze Geschichte hier reichlich übel für ihn ausgehen. So schlecht, wie die ihn da gerade machen wol l te, war er doch nun wirklich nicht, oder? Na ja. Vielleicht ein bisschen. Aber selbst wenn, hatte ihm die Prinzessin in der Zwischenzeit nicht alles, was er ihr eventuell angetan haben mochte, mit mehr als doppe l ter Münze heimgezahlt?
Ein Raunen ging durch die Runde der Weißgewandeten.
„ Wie ist das möglich?“
„ Wie kann das sein?“
Das hätte Dean auch gern gewusst.
Mit einer herrischen Geste brachte die rothaarige Hexe die Umst e henden zum Schweigen. „Ich habe noch etwas in diesem Subjekt g e funden. Etwas, das erklärt, warum das Siegel der Prinzessin durchlässig geworden ist.“
Was kam jetzt noch?
„ Er trägt einen Teil von Luminis in sich.“
Der Aufschrei, der auf diese Worte hin durch die Reihen der Ve r sammelten ging, war so laut, dass Dean für mehrere Minuten nicht mehr verstehen konnte, worum es ging. Die Hexe hob erneut ihre Hände, um für Ruhe zu sorgen, doch dieses Mal dauerte es bedeutend länger, bis das Stimmengewirr sich legte.
„ Ich vermute, dass bei dem Versuch, der Prinzessin das Blut ausz u saugen, die Versiegelung teilweise gelöst wurde und so ein Fragment von Luminis durch sie auf ihn übertragen wurde. Es ist nur ein kleiner Teil, aber er reichte offenbar
Weitere Kostenlose Bücher