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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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möchte, daß der Name del Valle in der Welt bestehen bleibt, und
sei es auch nur auf dem Grund des Glases von irgendeinem
Säufer, der meinen Wein kauft«, erwiderte meine Großmutter.
    Also machte sich der Engländer resigniert auf jene Safari nach
Frankreich, während Paulina in Chile für das Unternehmen die
Fäden knüpfte. Die ersten chilenischen Weinberge waren in der
Kolonialzeit von den Missionaren angelegt worden, und der
Wem, der dann dort wuchs, war recht gut gewesen, tatsächlich
so gut, daß Spanien den Anbau verbot, damit er den Weinen des
Mutterlandes keine Konkurrenz machte. Seit der
Unabhängigkeit hatte man wieder mit dem Anbau begonnen.
Paulina war nicht als einzige auf den Gedanken gekommen,
Qualitätsweine herzustellen, aber während die anderen der
Bequemlichkeit halber in der Umgebung von Santiago Land
kauften, um nicht mehr als eine Tagereise dorthin zu benötigen,
suchte sie nach weiter entferntem Gelände, nicht nur weil es
billiger, sondern vor allem weil es besser geeignet war. Ohne
jemandem zu erzählen, was sie vorhatte, ließ sie die
Zusammensetzung der Erde, die Launen des Wassers und die
Beständigkeit der Winde untersuchen, angefangen bei den
Feldern, die der Familie del Valle gehörten. Für ein Butterbrot
kaufte sie weite verlassene Ländereien auf, die niemand haben
wollte, weil sie einzig durch den Regen bewässert wurden. Die
köstlichste Traube, diejenige, die die süffigsten, blumigsten
Weine hervorbringt, die süßeste und großzügigste, wächst nicht
im Überfluß, sondern in steinigem Boden; die Pflanze besiegt
mit mütterlicher Beharrlichkeit alle Hindernisse, um ihre
Wurzeln tief hinabzusenken und jeden Wassertropfen zu nutzen,
so konzentriert sich der Geschmack in der Traube, erklärte mir
meine Großmutter.
    »Die Weinberge sind wie die Menschen, Aurora, je
schwieriger die Umstände, um so besser die Früchte. Es ist ein
Jammer, daß ich diese Wahrheit so spät entdecke, hätte ich das
früher gewußt, hätte ich meine Söhne und dich härter angefaßt.«
»Bei mir haben Sie’s versucht, Großmutter.«
    »Ich bin viel zu sanft mit dir umgegangen. Ich hätte dich doch
zu den Nonnen schicken sollen.«
»Wozu sollte ich sticken und beten lernen?
Señorita
Matilde…«
»Ich verbiete dir, diese Frau in diesem Haus zu erwähnen!«
»Na gut, Großmutter, wenigstens lerne ich jetzt Fotografie.
Damit kann ich mir mal mein Brot verdienen.«
»Wie kannst du nur an so etwas Blödsinniges denken!« rief
Paulina del Valle aus. »Meine Enkelin wird es niemals nötig
haben, sich ihr Brot zu verdienen. Was Ribero dir beibringt, ist
Zeitvertreib, aber keine Zukunft für eine del Valle! Du bist doch
nicht dafür bestimmt, ein Straßenfotograf zu werden, du wirst
jemanden aus deiner Klasse heiraten und gesunde Kinder in die
Welt setzen.«
»Sie selbst haben aber mehr als das ge macht, Großmutter.«
»Ich habe Feliciano geheiratet, bekam drei Söhne und eine
Enkelin. Was ich sonst noch gemacht habe, ist bloß eine
Zugabe.«
»So sieht’s aber nicht aus, offen gesagt.« In Frankreich hatte
Frederick Williams einen Experten engagiert, der bald danach
eintraf, um als technischer Berater tätig zu werden. Er war ein
hypochondrischer kleiner Mann, der die Felder und Äcker
meiner Großmutter auf dem Fahrrad abfuhr, ein Tuch um Mund
und Nase gebunden, weil er glaubte, der Geruch nach Kuhfladen
und der chilenische Staub erzeugten Schwindsucht, aber er ließ
keinen Zweifel an seinen profunden Kenntnissen über Weinbau
aufkommen. Die Bauern beobachteten verdutzt diesen städtisch
gekleideten Herrn, der auf dem Rad um Felsblöcke
herumlavierte und von Zeit zu Zeit anhielt, um am Boden zu
schnüffeln wie ein Hund an der Fährte. Da sie nicht ein Wort
von seinen langen gelehrten Abhandlungen in der Sprache
Molières verstanden, mußte meine Großmutter selbst in ihren
Pumps und mit Sonnenschirm wochenlang hinter dem Rad des
Franzosen herlaufen, um zu übersetzen. Als erstes erregte es
Paulinas Aufmerksamkeit, daß nicht alle Pflanzen gleich waren,
es gab mindestens drei verschiedene Sorten. Der Franzose
erklärte ihr, daß einige Rebarten früher reiften als andere, wenn
also das Klima die zarteren zerstörte, würden die übrigen immer
noch genügend zur Produktion beitragen. Er bestätigte auch, daß
das Geschäft Jahre in Anspruch nehmen würde, es gehe ja nicht
nur darum, bessere Trauben zu ernten, es solle ja auch ein edler
Wein hergestellt

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