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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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komplizierte Sache und störte das schnelle
Operationstempo, das einen guten Chirurgen kennzeichnet, weil
es die Gefahr eines Schocks oder hohen Blutverlusts verringert.
Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, für die Infektionen
spontan im Körper des Kranken entstanden, begriff Ebanizer
Hobbs sofort, daß die Keime von außerhalb kamen, von den
Händen, dem Fußboden, den Instrumenten und der ganzen
Umgebung, weshalb er mit einem Phenolregen alles besprengte,
von der Schnittwunde bis zur Luft im Operationssaal. Soviel
Phenol sprühte der Arme ständig um sich herum, daß seine Haut
schließlich mit schwärenden Wunden bedeckt war und er
frühzeitig einem Nierenleiden erlag, was seine Verleumder
ermunterte, auf ihren eigenen antiquierten Vorstellungen zu
beharren. Hobbs’ Schüler jedoch analysierten die Luft und
entdeckten, daß die Keime nicht wie unsichtbare Raubvögel
umherflogen, bereit zu hinterlistigem Angriff, sondern daß sie
sich auf schmutzigen Oberflächen ansammelten; die Ansteckung
erfolgte durch direkten Kontakt, also war es von grundlegender
Wichtigkeit, die Instrumente sorgfältig zu reinigen, sterilisierte
Binden zu verwenden, und die Chirurgen mußten sich nicht nur
waschen wie besessen, sondern wenn irgend möglich
Gummihandschuhe tragen. Aber natürlich waren das nicht die
groben Handschuhe, wie sie die Anatomen beim Sezieren von
Leichen trugen oder Fabrikarbeiter, die mit chemischen
Substanzen umzugehen hatten, o nein, es war ein Fabrikat so
zart und weich wie die menschliche Haut, das in den
Vereinigten Staaten hergestellt wurde. Seine Entstehung war
romantischer Natur: Ein Arzt, der in eine Krankenschwester
verliebt war, wollte sie vor den durch Desinfektionsmittel
entstehenden Ekzemen schützen und ließ die ersten
Gummihandschuhe herstellen, die später von den Chirurgen
zum Operieren übernommen wurden. All das hatte Paulina del
Valle aufmerksam in medizinischen Zeitschriften gelesen, die
ihr Cousin Don José Francisco Vergara ihr geliehen hatte; er
war inzwischen herzkrank geworden und hatte sich in sein
Palais in Vina del Mar zurückgezogen, war aber immer noch
genauso allseitig interessiert und lernbegierig wie einst. Meine
Großmutter hatte nicht nur den richtigen Arzt gewählt, der sie
operieren sollte, und sich schon Monate vorher von Chile aus
mit ihm in Verbindung gesetzt, sie hatte auch in Baltimore
mehrere Paare der berühmten Gummihandschuhe bestellt und
führte sie gut verpackt in dem Koffer mit ihrer Leibwäsche bei
sich. Paulina schickte Frederick Williams nach Frankreich,
damit er sich informierte, welche Holzarten für die Fässer
verwandt wurden, in denen der Wein gären mußte, außerdem
sollte er die Käseherstellung auskundschaften, denn es gab doch
wahrhaftig keinen Grund, weshalb die chilenischen Kühe nicht
imstande sein sollten, genauso würzigen Käse zu liefern wie die
französischen, die schließlich genauso dumm waren. Während
unserer Reise über die Anden und später auf dem
Transatlantikdampfer konnte ich meine Großmutter von nahem
beobachten und stellte fest, daß etwas Grundlegendes in ihr zu
wanken begann, es war nicht der Wille, nicht der Geist oder die
Gewinnsucht, nein, es war die oft schonungslose Härte. Sie
wurde sanft, nachgiebig und so zerstreut, daß sie immer häufiger
zwar in Musselin und Perlen, aber ohne ihre falschen Zähne
über das Schiffsdeck wanderte. Man sah es ihr an, wenn sie eine
schlechte Nacht verbracht hatte, dann hatte sie tiefe blaue Ringe
unter den Augen und war den ganzen Tag schläfrig. Sie hatte
viel Gewicht verloren, und wenn sie ihr Korsett ablegte, hing
das Fleisch herab. Sie wollte mich immer um sich haben, »damit
du mir nicht mit den Matrosen liebäugelst«, ein grausamer
Scherz, denn in dem Alter war ich von so abgrundtiefer
Schüchternheit, daß ein unschuldiger männlicher Blick in meine
Richtung genügte, und ich wurde rot wie ein gekochter Krebs.
Paulinas wahrer Grund war der, daß sie sich schwach fühlte und
mich an ihrer Seite brauchte, um den Tod abzulenken. Sie
erwähnte ihre Leiden nie, im Gegenteil, sie sprach davon, ein
paar Tage in London zu verbringen und dann nach Frankreich
weiterzufahren, um die Sache mit den Fässern und dem Käse
anzupacken, aber ich hatte von Anfang an erraten, daß ihre
Pläne anders aussahen, und das wurde dann auch klar, als wir
eben in England angekommen waren und sie anfing, Frederick
Williams diplomatisch zu

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