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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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und im Ausland abgesetzt werden, wo er es mit
den französischen, italienischen und spanischen Weinen würde
aufnehmen müssen. Paulina lernte alles, was der Experte sie
lehren konnte, und als sie sich sicher war, daß sie die Sache
beherrschte, schickte sie ihn zurück in sein Land. Inzwischen
war sie aber recht erschöpft und hatte begriffen, daß dieses
Unternehmen jemanden brauchte, der jünger und beweglicher
war als sie, jemanden wie Severo del Valle, ihren
Lieblingsneffen, auf den sie sich verlassen konnte. »Wenn du
weiter Kinder in die Welt setzt, wirst du viel Geld brauchen, um
sie zu füttern. Als Anwalt kannst du das nicht schaffen, wenn du
nicht doppelt soviel kassieren willst wie die anderen, aber der
Wein wird dich reich machen«, redete sie ihm zu. Nun war
gerade in diesem Jahr dem Paar Severo und Nivea ein Engel
geboren worden, wie die Leute sagten, ein kleines Mädchen so
schön wie eine Fee in Miniatur, die sie Rosa nannten. Nivea
fand, alle vorigen Kinder seien reine Übung gewesen, um
endlich dieses vollkommene Wesen hervorzubringen. Vielleicht
würde Gott sich jetzt zufriedengeben und ihr keine Kinder mehr
schicken, denn das Rudel sei nun voll. Severo kam das
Unternehmen mit den französischen Weinbergen verrückt vor,
aber er hatte den kaufmännischen Riecher meiner Großmutter zu
respektieren gelernt und dachte sich, ein Versuch sei wohl der
Mühe wert; er ahnte nicht, daß die Weinstöcke in wenigen
Monaten sein Leben verändern würden. Kaum hatte meine
Großmutter gemerkt, daß Severo vom Weinanbau genauso
besessen war wie sie, beschloß sie, ihn zu ihrem Teilhaber zu
machen, ihm das Feld allein zu überlassen und mit Williams und
mir nach Europa zu reisen, schließlich war ich schon sechzehn
und damit in dem Alter, wo ich einige kosmopolitische Politur
und eine Aussteuer brauchte, wie sie sagte.
»Ich habe nicht die Absicht, zu heiraten, Großmutter.«
»Noch nicht, aber du wirst es müssen, bevor du zwanzig bist,
sonst wirst du eine alte Jungfer«, sagte sie barsch.
Den wirklichen Grund für die Reise erzählte sie niemandem.
Sie war krank und glaubte, in England werde man sie operieren
können. Dort hatte sich die Chirurgie seit der Entdeckung der
Anästhesie und der Asepsis sehr entwickelt. In den letzten
Monaten hatte sie ihren Appetit eingebüßt und litt zum
erstenmal in ihrem Leben nach einer schweren Mahlzeit an
Brechreiz und Bauchgrimmen. Sie aß kein Fleisch mehr und zog
milde Speisen vor, gezuckerten Brei, Suppen und die geliebten
Kuchen, auf die sie nicht verzichtete, obwohl sie ihr wie Steine
im Magen lagen. Sie hatte von dem berühmten Krankenhaus
gehört, in dem die besten Ärzte Europas arbeiteten und das ein
gewisser Doktor Ebanizer Hobbs gegründet hatte, der schon vor
mehr als zehn Jahren gestorben war. Kaum war also der Winter
vergangen und die Straße durch die Anden befahrbar geworden,
machten wir uns auf die Reise nach Buenos Aires, wo wir den
Überseedampfer nach London nehmen würden. Wir führten wie
immer ein Gefolge von Dienern, eine Tonnenladung Gepäck
und mehrere bewaffnete Wachen mit uns, um vor den
Straßenräubern geschützt zu sein, die sich in diesen einsamen
Gegenden herumtrieben, aber mein Hund Caramelo war diesmal
nicht dabei, weil seine Pfoten zu schwach geworden waren. Der
Übergang über die Berge in der Kutsche, zu Pferde und zuletzt
auf Maultierrücken an Abgründen entlang, die sich zu beiden
Seiten öffneten wie Schlünde, bereit, uns zu verschlingen, war
unvergeßlich. Der Weg schien eine unendlich lange, dünne
Schlange, die sich zwischen diesen überwältigenden Bergen, der
Wirbelsäule Ame rikas, hindurchwand. Zwischen den
Felssteinen wuchsen hier und da Sträucher, von den Unbilden
des Klimas durchgeschüttelt und von feinen Rinnsalen genährt.
Wasser überall, Kaskaden, Bäche, flüssiger Schnee; die einzigen
Geräusche waren das Fließen und Rieseln und Plätschern des
Wassers und das Klopfen der Hufe unserer Tiere auf der harten
Kruste der Anden. Als wir anhielten, hüllte uns die abgrundtiefe
Stille ein wie ein schwerer Mantel, wir waren Eindringlinge, die
die vollkommene Einsamkeit dieser Höhen verletzten. Meine
Großmutter, die gegen das Schwindelgefühl und die Übelkeit
ankämpfte, seit der Weg aufwärts führte, hielt sich tapfer dank
ihrem eisernen Willen und Frederick Williams’ Fürsorglichkeit,
der sein Möglichstes tat, um ihr zu helfen. Sie trug einen
schweren

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