Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
allein zu kommen. Er fühlte sich
enttäuscht, er hatte angenommen, die Herausforderung würde
interessanter werden. Vor dem bewußten Mittwoch brauchte er
sich nicht einmal besondere Mühe zu geben, sie zu verführen,
einige schmachtende Blicke, ein Berühren ihrer Wange mit den
Lippen, ein paar in ihr Ohr gehauchte gängige Phrasen
genügten, um das vor ihm zitternde Mädchen wehrlos zu
machen, bereit für die Liebe. Matías fand diesen weiblichen
Wunsch, sich hinzugeben und zu leiden, lachhaft, es war genau
das, was er an den Frauen am meisten verabscheute; deshalb
verstand er sich auch so gut mit Amanda Lowell, die seine
rücksichtslose Haltung gegenüber Gefühlen und seine Achtung
vor der Lust teilte. Lynn, hypnotisiert wie das Kaninchen vor
der Schlange, hatte endlich einen Empfänger für die blumige
Kunst der Liebesbriefchen und die Bilder von traurigen
Jungfrauen und pomadisierten Galanen. Sie konnte nicht ahnen,
daß Matías diese romantischen Botschaften mit seinen
Kumpanen gemeinsam genoß. Als er sie Severo del Valle zeigen
wollte, lehnte der ab. Noch wußte er nicht, daß Lynn Sommers
sie geschickt hatte, aber die Vorstellung, sich über die
Verliebtheit eines unschuldigen jungen Mädchens lustig zu
machen, stieß ihn ab. »Offensichtlich bist du immer noch ein
echter Ritter, Vetter, aber keine Sorge, das heilt sich so leicht
wie die Jungfernschaft«, sagte Matías.
    Severo del Valle folgte an jenem denkwürdigen Mittwoch der
Einladung seines Vetters und stellte fest, daß er nicht der einzige
zu der Gelegenheit Gebetene war: in der Garòonniere tummelte
sich mindestens ein halbes Dutzend Bohemiens, rauchend und
trinkend, und da war auch die rothaarige Frau, die er etwa zwei
Jahre zuvor einige Sekunden in der Opiumhöhle gesehen hatte,
als er mit Williams seinen Vetter herausholte. Er wußte, wer sie
war, weil Matías ihm von ihr erzählt hatte und ihr Name in der
Welt der frivolen Amüsierbetriebe und des Nachtlebens
wohlbekannt war. Das war Amanda Lowell, eine gute Freundin
von Marias, mit dem gemeinsam sie gern lachend über den
Skandal herzog, den sie als die Geliebte von Feliciano
Rodriguez de Santa Cruz entfesselt hatte. Matías hatte ihr
versprochen, nach dem Tode seiner Eltern werde er ihr das
Neptun-Bett schenken, das Paulina del Valle in ihrem Zorn
eigens aus Florenz hatte kommen lassen. Von der Halbweltdame
war der Lowell nicht viel geblieben, mit zunehmender Reife
hatte sie entdeckt, wie eitel und eingebildet die meisten Männer
sind, aber mit Matías verband sie ein tiefes verwandtschaftliches
Gefühl trotz grundsätzlicher Unterschiede. An diesem Mittwoch
hielt sie sich abseits, saß auf dem Sofa, trank Champagner und
war sich bewußt, daß diesmal nicht sie der Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit war. Sie war eingeladen worden, damit Lynn
Sommers sich nicht beim ersten Rendezvous allein unter lauter
Männern sah und vielleicht eingeschüchtert zurückgeschreckt
wäre.
    Wenige Minuten nach Severos Ankunft klopfte es an der Tür,
und es erschien das berühmte Modell der »Republik«, eingehüllt
in einen Umhang aus schwerer Wolle und mit einer Kapuze auf
dem Kopf. Als sie den Umhang ablegte, sahen sie ein
jungfräuliches Gesicht, gekrönt von schwarzem, in der Mitte
gescheiteltem Haar, das zu einem einfachen Knoten
zurückgebunden war. Severo fühlte, wie sein Herz einen Sprung
tat, wie alles Blut ihm zu Kopf strömte und in den Adern
hämmerte wie ein Regimentstambour. Niemals hätte er
vermutet, daß das Opfer der Wette Lynn Sommers sein könnte.
Er war unfähig, auch nur ein Wort zu sprechen, sie gar noch zu
begrüßen, wie es die andern taten. Er zog sich in einen Winkel
zurück und blieb dort auch die ganze Stunde, die der Besuch des
jungen Mädchens dauerte, ohne den Blick von ihr zu wenden,
gelähmt vor Besorgnis. Er hatte nicht den geringsten Zweifel,
wie die Wette dieser Männermeute ausgehen sollte. Er sah Lynn
Sommers wie ein Lamm auf dem Opferstein, ahnungslos ihrem
Geschick entgegenblickend. Eine Welle von Haß gegen Matías
und seine Kumpane stieg in ihm auf, gemischt mit einer
dumpfen Wut auf Lynn. Er konnte nicht begreifen, wieso das
Mädchen nicht merkte, was vor sich ging, wieso sie die Falle in
diesen doppeldeutigen Schmeicheleien nicht erkannte, in dem
Glas Champagner, das sie ihr immer wieder füllten, in der
ausgesucht schönen roten Rose, die Matías ihr ins Haar steckte alles so voraussagbar und vulgär, daß einem übel

Weitere Kostenlose Bücher