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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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wurde. Sie
muß rettungslos dumm sein, dachte er, von ihr ebenso
angewidert wie von den übrigen, aber dennoch überwältigt von
einer Liebe, der er nicht ausweichen konnte und die jahrelang
auf die Gelegenheit gewartet hatte, sich zu entwickeln, und jetzt
zu seiner Verwirrung aufblühte.
    »Fehlt dir was, Vetter?« fragte Matías grinsend und reichte
ihm ein Glas.
Er konnte nicht antworten und mußte das Gesicht abwenden,
um seine mörderische Wut nicht zu zeigen, aber Matías hatte
seine Gefühle erraten und beschloß, den Scherz weiterzutreiben.
Als Lynn erklärte, sie müsse jetzt gehen
- nicht ohne zu
versprechen, daß sie in der kommenden Woche wiederkommen
werde, um vor den Kameras dieser »Künstler« Modell zu stehen
-, bat er seinen Vetter, sie zu begleiten. Und so kam es, daß
Severo sich allein fand mit der Frau, der es gelungen war, die
stetige Liebe Niveas an den Rand zu drängen. Er ging mit Lynn
die wenigen Straßen, die Matías’ Studio vom Teesalon Elizas
trennten, und war so aufgewühlt, daß er nicht wußte, wie er eine
noch so banale Unterhaltung beginnen sollte. Es war zu spät, ihr
die Sache mit der Wette zu verraten, er wußte, daß. Lynn mit
derselben Verblendung in Matías verliebt war wie er selbst in
sie. Sie würde ihm nicht glauben, würde sich beleidigt fühlen,
und selbst wenn er ihr erklärte, daß sie für Matías nur ein
Spielzeug war, würde sie doch geradenwegs zur Schlachtbank
gehen, blind vor Liebe. Sie war es dann, die das ungemütliche
Schweigen brach und ihn fragte, ob er der chilenische Vetter sei,
den Matías erwähnt habe. Severo begriff, daß dieses Mädchen
sich nicht im mindesten an ihre erste, Jahre zurückliegende
Begegnung erinnerte, als sie, beleuchtet vom Widerschein eines
Fensters, Bilder in ein Album klebte, sie ahnte nicht, daß er sie
seither liebte mit der Hartnäckigkeit der ersten Liebe, wie sie
auch nie bemerkt hatte, daß er um den Teesalon
herumgestrichen und ihr häufig auf der Straße begegnet war.
Ihre Augen hatten ihn einfach nicht wahrgenommen. Als sie
sich voneinander verabschiedeten, reichte er ihr seine
Visitenkarte, verbeugte sich zur Andeutung eines Handkusses
und stotterte, wenn sie ihn einmal brauche, möge sie bitte nicht
zögern, ihn zu rufen. Von diesem Tag an mied er Matías und
stürzte sich in sein Studium und die Arbeit, um Lynn Sommers
und die schamlose Wette aus seinen Gedanken zu streichen. Als
sein Vetter ihn am nächsten Mittwoch zur zweiten Sitzung
einlud, in der das Mädchen sich nackt ausziehen sollte,
antwortete er ihm mit einem Schimpfwort. Mehrere Wochen
hindurch konnte er nicht eine Zeile an Nivea schreiben, und
auch ihre Briefe konnte er nicht lesen und bewahrte sie
ungeöffnet auf, von Schuldgefühl erdrückt. Er fühlte sich
schmutzig, als hätte auch er teil an dem Heldenstückchen, Lynn
Sommers zu schänden. Matías gewann die Wette mühelos, aber
inzwischen versagte sein Zynismus, und ohne es zu wollen, sah
er sich gefangen in dem, was er auf der Welt am meisten
fürchtete: einer gefühlsbetonten Beziehung. Zwar verliebte er
sich nicht in die schöne Lynn, aber die bedenkenlose Liebe und
die Unschuld, mit der sie sich hingab, rührten ihn endlich doch.
Das Mädchen lieferte sich seinen Händen so vertrauensvoll aus,
so bereit, alles zu tun, worum er sie bat, ohne über seine
Absichten zu urteilen oder die Folgen zu bedenk en. Matías
konnte die absolute Macht ermessen, die er über sie hatte, als er
sie nackt in seinem Dachstudio stehen sah, rot vor Verlegenheit,
Schamhügel und Brüste mit den Armen bedeckend, im
Mittelpunkt des Kreises seiner Kumpane, die sich stellten, als
fotografierten sie sie, ohne die Gier von deckungsgeilen Hunden
zu verhehlen, die dieser üble Schabernack in ihnen erregte.
Lynns Körper hatte nicht die Form einer Sanduhr, wie sie
damals in Mode war - üppige Hüften und schwellender Busen,
dazwischen eine unglaubliche Taille -, sie war schlank und zart
geformt, hatte lange Beine und runde Brüste, die Haut hatte die
Farbe einer Sommerfrucht, und eine Mähne von glattem
schwarzem Haar fiel ihr über den halben Rücken. Matías
bewunderte sie wie irgendeines der vielen Kunstgegenstände,
die er sammelte, er fand sie erlesen schön, aber er spürte
befriedigt, daß sie keinerlei Anziehung auf ihn ausübte. Ohne an
sie zu denken, nur um vor seinen Freunden großzutun und ein
bißchen Grausamkeit zu proben, wies er sie an, die Arme
auszubreiten.

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