PR TB 096 Das Mädchen Aus Dem Nirgendwo
Fälle
beschatten lassen. Er hat nach der HalbzeitTaufe zusammen mit Lorelei
eine Bar aufgesucht. Dort werde ich ihn verhaften lassen.«
*
Professor Farkas schien einem Nervenzusammenbruch nahe, als
Michael zwei Tage später die Psychologische Abteilung betrat.
»Ich habe Sie rufen lassen, weil Sie der einzige Mensch
sind, zu dem Lorelei den Kontakt nicht verweigert«, empfing der
Psychodynamiker ihn. »Nach Jeffersons Verhaftung hat sie sich
nur noch weiter von mir zurückgezogen. Sie lässt mich nicht
einmal in ihre Kabine. Ich bin verzweifelt. Dabei scheint es, dass
sie sich in einer hochgradigen Krise befindet. Wenn sie sich nur von
mir helfen lassen würde!«
»Und was kann ich tun?« erkundigte sich Michael.
»Sprechen Sie mit ihr«, sagte Farkas. »Sie fühlt
sich zwar vollkommen normal, aber sie ist es nicht. Selbst wenn sie
ihre Erinnerung in nächster Zeit zurückbekommt, was ich
allerdings sehr bezweifle, so benötigt sie trotzdem sachkundige
Hilfe. Lassen Sie sich das Versprechen geben, dass sie sich auch
aufTerra in die Behandlung eines Psychodynamikers begibt.«
»Ich werde versuchen, sie dazu zu bewegen«, sagte
Michael. Aber er glaubte nicht so recht an einen Erfolg. Lorelei
hatte sich nach Jeffersons Verhaftung mit ihm zwar unterhalten, doch
war sie immer auf Distanz geblieben. Es war ihm nicht möglich
gewesen, das Eis zwischen ihnen zu brechen. Lorelei schien Jefferson
immer noch verfallen zu sein, egal, was man ihr über ihn
erzählte.
»Warten Sie einen Augenblick, Mike.« Der Professor
griff in die Tasche seines Arbeitskittels und brachte ein Bündel
zerknitterter Banknoten daraus hervor. »Sagen Sie Lorelei, dass
Sie ihr das Geld zurückbrächten, das Jefferson ihr
abgenommen hat. Vielleicht können Sie sich damit den Zutritt in
ihre Kabine erkaufen.« Michael nahm das Geld an sich.
Er ging zu Loreleis Kabine, die auf demselben Korridor lag wie die
Psychologische Abteilung. Dieser Trakt gehörte noch zur
Krankenstation.
Er läutete. Nach einer endlos scheinenden Zeit wurde die Tür
einen Spaltbreit geöffnet. Loreleis Gesicht blieb ausdruckslos,
als sie Michael erkannte, aber sie ließ ihn wenigstens
eintreten. Wortlos ging sie durch den Raum und legte' sich auf das
unbezogene Bett.
»Ich komme, um Ihnen die 20.000 Solar zurückzuerstatten«,
sagte Michael, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Lorelei reagierte darauf überhaupt nicht. Michael legte das
Geld auf den Tisch, nahm sich
einen Stuhl und rückte ihn an ihr Bett. Lorelei war hübsch,
fast schön, wenn ihr Mund nicht ein wenig zu groß geraten
wäre. Es fiel ihmjetzt zum erstenmal auf.
Michael wollte etwas sagen, aber sie kam ihm zuvor. Sie lag auf
dem Rücken und starrte blicklos zur Zimmerdecke hinauf. Sie
sprach mit leiser, klarer Stimme.
»Möchten Sie die Geschichte der Samantha Lund hören?
Bestimmt möchten Sie sie hören, denn Sie denken, dass ich
diese Samantha Lund sei. Damit haben Sie recht, Mike. Ich weiß
es jetzt mit Bestimmtheit, denn das Leben der Samantha Lund liegt wie
ein offenes Buch vor meinen Augen. Ich weißjetzt auch, was
meinen Gedächtnisschwund verursacht hat. Es waren
Menschenhändler, dieselben brutalen, skrupellosen Männer,
die mich von Halperoon verschleppt haben.
Mein Vater und ich zogen auf der Suche nach ertragreichen Erzadern
durch das Askadier-Gebirge, als wir zufällig auf das Lager der
Menschenhändler stießen. Wir wollten beim Anblick des in
einem unwegsamen Tal verborgenen Raumschiffes sofort umkehren, aber
es war zu spät. Die Menschenhändler nahmen uns gefangen.
Sie töteten Vater vor meinen Augen. Mich nahmen sie mit sich.
Man erwartete sich auf dem Sklavenmarkt von mir einen guten Preis.
Aber es kam anders. Der Anführer der Menscherhändler wollte
mir Gewalt antun
— das dürfte bei mir einen solchen Schock ausgelöst
haben, dass ich mein Gedächtnis verlor. Jetzt kann ich mich
wieder an fast alle Einzelheiten erinnern. Ich erinnere mich auch
daran, dass mich die Menschenhändler auf dem Meteoriten
absetzten und durch SOS-Rufe die zufällig vorbeikommende
HOLLIDAY auf mich aufmerksam machten.«
Lorelei schwieg. Michael verbesserte sich in Gedanken; es musste
heißen: Samantha Lund schwieg. So hieß sie
offensichtlich, und es gab keinen Grund, dies anzuzweifeln.
»Ich bin froh, dass Sie Ihre Erinnerungen wieder besitzen,
Sam«, sagte Michael warm. »Niemand ist glücklicher
als ich.« Aber der Tonfall ihrer Stimme sprach ihren Worten
Hohn. »Was bedrückt
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