PR TB 165 Nomaden Des Meeres
Myron?«
Die erste Ladung eines Handelsschiffs war der kritische Punkt. Der
Kapitän wußte, in welchem fremden Hafen welche Güter
bevorzugt und risikolos abgesetzt werden konnten. Diese Güter,
darunter auch handwerklich besonders geschickte Sklaven, waren auf
die beiden Schiffe aus Keftiu geladen worden. Solange wir keine
eigene Seefahrerkultur aufgebaut hatten - was viele Jahre dauern
würde! -, mußten wir sowohl das Risiko für unsere
Waren den fremden Kapitänen aufbürden als auch
einkalkulieren, daß das Schiff in unserem Dienst kenterte oder
gekapert wurde. Erst dann, wenn ein Kapitän bei uns Waren kaufen
konnte - oder tauschen -, war die Voraussetzung für einen
schwungvollen Handel geschaffen. Jedenfalls hatten alle an diesem
ersten, zögernden Handel Beteiligte ein bemerkenswertes Geschick
gezeigt.
Die BÖSES AUGE und die HARPYIAI jedenfalls waren aus dem
Hafen gerudert und davongesegelt. Unser erster Versuch zu Wasser,
erfolgreich Handel zu treiben.
»Wie geht es, Siren, mit der Herberge der Karawanen?«
Wieder lachte der Freund. Er war ein treffliches Beispiel für
vollendete Tarnung: Sein dicklicher Körper verbarg Kraft und
Wendigkeit. Sein Genießergesicht mit dem sarkastischen Grinsen
verdeckte den hellwachen, blitzschnellen Verstand eines Mannes von
schätzungsweise vierzig Jahren, der viel gesehen und erlebt
hatte.
»Wir sind mitten im Bau. Frage Neb-Nefer; seine Leute
arbeiten wie die Besessenen. Immerhin brauchen wir viel Platz für
Tiere, Gespanne, für Werkstätten und Schlaf räume, die
Herberge ist am weitesten.«
Außerhalb des Landtores entstand diese Drehscheibe. Dort
wurde gehandelt, dort luden sie die Traglasten ab, verteilten die
Karawanen neu, die Tiere wurden getränkt, die Menschen schliefen
und aßen, es gab Waschgelegenheiten ebenso wie Feuerstellen,
eine Wache war vorhanden, und einer der Schreiber wachte darüber,
daß niemand betrog und die Stadt - und somit der Pharao - ihre
Abgaben erhielt.
Asyrta schien genug gehört und verstanden zu haben. Immerhin
mußte auch sie erkennen, daß sich der Fleiß von
einigen Tausenden und einem knappen halben Jahr gelohnt hatte. Sie
hob die Hand und gab Neit-aqer ein Zeichen, Wein einzuschenken.
»Ich sehe, daß es gut um Gubal steht«, sagte sie
laut. »Nun kommt der Winter, und wir alle werden unsere
Arbeiten aufs Innere der Häuser lenken müssen. Es wäre
wohl gut und richtig, wenn wir in den langen Nächten versuchen
würden, alle Maße und Mengen und die Preise dafür
einheitlich zu machen. Ein zweites Problem sehe ich darin, daß
wir zu viele Menschen haben, davon aber sind zu wenige gute
Handwerker, Spezialisten für dieses oder jenes.«
Cheper klopfte mit seinem kupfernen Armband an den Tonbecher und
machte mit diesem glockenähnlichen Geräusch auf sich
aufmerksam.
»Die LOB DES PHARAO muß zurücksegeln ins Delta.
Ich kann zwanzig junge Männer mitnehmen und ihnen das
Seehandwerk beibringen. Ein guter Vorschlag?«
»Ausgezeichnet«, sagte ich. »Du nimmst den
Tribut mit und bringst Papyrus zurück?«
Cheper nickte. Inzwischen hatte er seinen Bart gestutzt. Er wandte
sich an Gerth und fragte:
»Wann sind die vielen kleinen Ausbesserungsarbeiten an
meinem Schiff endlich fertig?«
Mit einer großartigen Gebärde beschwichtigte ihn der
Krückenmacher.
»In Bälde!« sagte er lakonisch.
»Weil nämlich«, erläuterte Cheper grimmig,
»Löcher im Schiff die Seefahrt nachhaltig behindern.«
Gerth schwenkte drohend seinen Dreizack in Chepers Richtung, dann
griff er nach dem frisch gefüllten Becher.
»Wir sollten wirklich ein Zahlungsmittel erfinden, damit ich
endlich für meine Wertarbeit gebührend belohnt werde.«
»Wenn ich einmal eine Krücke brauche, werde ich sie dir
in schierem Gold bezahlen«, sagte Cheper.
»Wir werden alle die Nomaden, ihre Frauen und Kinder auf dem
Land beschäftigen. Und überall dort, wo es auf reine
Arbeitsleistung ankommt. Einige von ihnen sollen die Kanäle
weitertreiben und Land nehmen, wo es noch keine Besitzungen gibt.«
»Das denke ich«, meinte Ka-aper, »ist ein
Vorschlag, der dem Pharao angenehm in den Ohren klingen wird.«
Unzweifelhaft hatte die Stadt Wachstumsprobleme. Zu viele Menschen
hatten auf ihrer Flucht vor der Wüste hier haltgemacht.
Mindestens die Hälfte von ihnen konnten keinen eigentlichen
Beruf ausüben und mußten lange und mühsam angelernt
werden. Aber für einfache Arbeiten hatten wir genügend
Kräfte. In diesem Winter würden alle jene Vorhaben zu
Weitere Kostenlose Bücher