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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Vor-Hayley-Phase, die ich aus irgendeinem Grund aufgehoben hatte, obwohl ich gedacht hatte, diese Zeiten wären für immer vorbei  –, aber kurz bevor ich den hellen, warmen, geselligen Raum betrat, zog ich die Turnschuhe aus und ersetzte sie durch eine einzelne zarte Sandale an meinem rechten Fuß. Am linken Fuß – dem ohne Schuh – hatte die Strumpfhose am Zeh ein Loch. Ich betrachtete es gelassen. Jetzt konnte ich nicht mehr zurück.
    Mit leichter Schlagseite stand ich an der Tür. Waren sie da? Nein, noch nicht. Das war gut, dann konnte ich mich in Ruhe so niederlassen, dass ich die größte Wirkung erzielte. Es gab jede Menge Sofas – der Pub war frauenfreundlich –, aber ich brauchte einen leicht erhöhten und gut sichtbaren Platz. Also humpelte ich zur Bar, kletterte auf einen der Hocker und drehte mich so um, dass ich das Gesicht dem Raum zuwandte. An dieser Stelle war ich nicht zu übersehen, weder ich noch – und das war weit wichtiger – meine ungleichen Füße, der eine beschuht, der andere nicht.
    Meine Augen schweiften unablässig durch den Raum, wie das oft bei extrem desorientierten Menschen der Fall ist, und zwischen den Ereignissen um mich herum zählte ich. (Leute kommen rein, Leute zünden sich eine Zigarette an, Leute streichen ihrer Freundin sanft eine Haarsträhne aus der Stirn etc. – jedes Mal fing ich wieder bei Null an.) Zwischen dem Zählen trank ich. Mein Plan war gewesen, bei Mineralwasser zu bleiben, aber irgendwie verwarf ich ihn, wahrscheinlich zum Teil wegen meines noch immer spürbaren Schocks und zum Teil, weil ich so nah an der Quelle saß. Den ganzen Abend blieb ich da, mit vor lauter Rechtschaffenheit kerzengeradem Rücken, und wartete, dass sie endlich erschienen, aber sie kamen nicht. Das war sehr ärgerlich. Wie sollte ich sie dann beschämen?
    Nick, der Barmann, war zwar sichtlich etwas beunruhigt durch mein Benehmen, aber nett. Anders als Naomi, eine Freundin von mir und Steve, die sagte: »Alice, bitte zieh dir gescheite Schuhe an, das ganze Getue ist doch peinlich!«
    Peinlich? Ich? Ich war die Würde in Person, so weit irgendjemand das sein kann, der Mitte November mit einer einzelnen Sandale und mit einem nur bestrumpften Fuß auf einem Barhocker thront. Damit ich nicht so auffiel, versuchte Naomi, mich in ihre Gruppe von Freundinnen auf dem Sofa zu integrieren, aber ich weigerte mich, meinen Posten zu verlassen.
    Gegen elf strich ich die Segel; offensichtlich kamen sie nicht mehr. Natürlich hatte ich nicht mit Sicherheit gewusst, dass sie auftauchen würden, die reale Welt ist leider nicht Coronation Street . Aber man hatte sie hier schon zusammen gesehen. Was ausgesprochen taktlos war, angesichts der Tatsache, dass Steven und ich oft hergekommen waren. Nicht jeden Abend, vielleicht ein oder zwei Mal in der Woche, und genauso zum Essen wie zum Trinken. (Lachsfrikadellen, Pacific-Rim-Salat, Mokka-Bread-and-Butter-Pudding etc. Wie gesagt, ein frauenfreundlicher Pub.)
    Als ich ging, wippte ich durch den Pub – der inzwischen gut besucht war, was ich eher bedauerte, denn so war mein Schuhungleichgewicht nicht so deutlich sichtbar, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich fürchtete sogar, dass mehrere Leute mein Schwanken als Folge eines Alkoholrauschs interpretierten. Jedenfalls stießen sie sich an, als ich vorbeihinkte, und ich hörte jemanden sagen: »Sie ist besoffen – und wenn schon? Nach allem, was passiert ist, kann ihr das ja wohl keiner zum Vorwurf machen.«
    Erst als ich draußen auf der Straße war, holte ich die Turnschuhe wieder aus meiner Tasche und zog die Silbersandale aus. Eigentlich wollte ich sie in die Tasche stecken, aber dann dachte ich plötzlich: Wozu? Was nutzt sie mir jetzt noch?
    Also ließ ich sie einfach liegen. Genau in der Mitte zwischen den beiden Türen (na ja, so mittig ich es eben hinbekam, nachdem ich mich den Abend über hatte voll laufen lassen).
    Vage spielte ich mit der Idee, dass ich am nächsten Abend das Gleiche mit dem anderen Schuh machen konnte. Und jeden darauf folgenden Abend wieder, bis all meine einunddreißig Schuhe weg waren. Etwas länger als einen Monat würde es dauern.

Wie ich Hayley kennen lernte
    Die meisten Menschen sind »asymmetrisch«, wie man es häufiger nennt. Meine Problemzone sind meine Füße: Mein rechter Fuß hat Größe siebenunddreißig, mein linker Größe achtunddreißig. Früher umging ich das Problem, indem ich Schuhe in Größe achtunddreißig kaufte und Einlegesohlen

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