Pralinenherz
gefunden und nach einer Dusche und frischer Kleidung, die Frau Behlitz zuvor abgesegnet hatte, fuhren sie gemeinsam zur Messe.
„Wenn ich rede, wird nicht dazwischen geplappert, das macht sonst einen schlechten Eindruck! Gib keine Visitenkarten heraus, ich möchte nicht belästigt werden, von irgendwelchen Möchtegern-Firmen. Die, mit denen ich zusammenarbeiten möchte, suche ich mir selbst aus. Flyer annehmen kannst du, suche dir am Ende des Tages die aus, die du für wichtig erachtest. Das ist natürlich eine Überprüfung deiner Fähigkeiten.“ Hanna blinzelte irritiert und irgendwann verschwammen die Worte ihrer Chefin in ein „Blabla“ und ihre Gedanken schweiften ab. Frankfurt war eine schöne Stadt, in der Hanna noch nie zuvor gewesen war und sie freute sich auf die Messe. Frau Behlitz wusste natürlich nicht, dass sie heimlich einige Bilder mitgenommen hatte, die sie anderen Galerieinhabern zeigen wollte. Denn wenn sie es wüsste, wäre Hanna schneller gekündigt, als sie blinzeln könnte.
„Verstanden?“, zeterte sie theatralisch und erwartete eine Antwort.
„Äh. Natürlich!“ Hanna wurde aus ihren Träumen gerissen, was sie ärgerte. Denn in ihrer Illusion waren alle Galerieinhaber begeistert von ihren Arbeiten und nahmen sie mit Kusshand in ihren Katalog auf.
An der Messe angekommen, bezahlte sie den Taxifahrer, der sie mit traurigen Augen musterte.
„Viel Glück ...“, murmelte er, empfand dabei tiefes Mitleid, was Hanna ein wenig Kraft gab, die gemeinsamen Tage mit ihrer zickigen Chefin zu überstehen.
„Danke. Und gute Fahrt weiterhin!“
Das Messegelände in Frankfurt war atemberaubend. Menschenmassen drängten sich durch die Flure, sprachen, lachten, aßen und tranken, rannten und telefonierten lauter, als es Hanna lieb war.
„Wir treffen uns dann um 19 Uhr am Taxistand. Keine Minute später!“ Mit diesen Worten verschwand die alte Hexe endlich und Hanna hatte das Gefühl, wieder Luft zum Atmen zu bekommen. Diese Frau war wie ein zu eng geschnürtes Korsett. Wie der vergiftete Apfel in ihrer Kehle.
Laut seufzend sah sie sich um und kämpfte sich durch die Massen. Dass sie getrennt voneinander Jagd auf Neuerungen waren, machte es für Hanna wesentlich einfacher, auf Kundenfang zu gehen. Hier gab es so viele Möglichkeiten!
Verlage und Galerien. Künstler und Firmen, die ihre Kreativität zum Ausdruck brachten. Die vielen Stände waren teilweise spektakulär, mit Fernsehern ausgestattet oder mit großen Plakaten. Fasziniert sah sie sich um und kam mit den ersten Galeristen ins Gespräch, tauschte Visitenkarten aus und nahm so viele Prospekte und Flyer mit, wie sie nur tragen konnte.
„Vorsicht! Platz machen bitte!“, ertönte es hinter Hanna, die erschrocken herumfuhr. Es war jedoch schon zu spät und ein Garderobenständer stieß sie um. Mit einem erschrockenen Quietschen fiel sie gegen eine Trennwand, die sofort nachgab und sie in einen der Stände plumpsen ließ.
Ihr Aufprall wurde von einigen leeren Kisten abgebremst, doch machte sie dabei trotzdem genug Krach, um beschämt ihre Hände vor das puterrote Gesicht zu schlagen.
Die Trennwand wackelte hin und her und nahm ihre ursprüngliche Position an, jedoch war Hanna nun in einer Art Abstellraum gelandet. Um sie herum niemand, nur viele Kisten, Kleidungsstücke und Aufsteller.
„Oh nein! Wie peinlich!!!“, fluchte sie, versuchte, sich aus der Kiste zu befreien, blieb jedoch mit dem Hintern stecken und strampelte hilflos mit ihren Beinen wie ein Käfer, der auf dem Rücken gelandet war.
„Das gibt es doch nicht!“, jammerte sie und strampelte weiter, sehr zur Belustigung eines jungen Mannes, der an der Tür stand, um sich das Schauspiel anzusehen.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte er, lief auf sie zu und reichte ihr die Hand.
„Es … geht schon!“, fluchte Hanna, die wegen des viel zu langen Rockes keine Beinfreiheit besaß.
„Ok, ok!“ Der junge Mann hob unschuldig grinsend beide Hände in die Luft und ging einen Schritt zurück.
„Verfluchte … blöde … warum stehen die Kisten hier!!!“, knurrte sie und zappelte weiter.
Ihr Gegenüber lachte und ging nun in die Hocke, neigte sein Gesicht und wiederholte: „Ich helfe gerne …, aber ich habe Angst, dass Sie mich beißen.“ Dabei betrachtete er die kampfeslustige Hanna, die dabei war, den Karton in Stücke zu reißen, es jedoch aufgrund der vielen Klebestreifen nicht schaffte.
Erschöpft ließ sie alle Viere von sich fallen und starrte zu den
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