Prickel
zumindest.
»Sie müssen sich das vorstellen - hätte er bei irgend jemand abgeschrieben, er hätte gute Chancen gehabt, damit durchzukommen. Aber nein: Für die Dissertation dieses idiot pretentieux durfte es kein Geringerer sein als David Bovet, Medizin-Nobelpreisträger 1957!«
»Kryszinski, sind Sie's? Sind Sie wach?«
Ich hatte mich mit einem Geräusch gemeldet. >Wrglbrgl?< oder so ähnlich.
»Nein«, antwortete ich, nach einem kurzen Abhusten, »dies ist mein Anrufbeantworter. Ehrliche Menschen schlafen um diese Zeit noch.« Sieben Uhr! Sicher, draußen schien die Sonne, aber trotzdem! Wenn man danach gehen will, scheint immer irgendwo gerade die Sonne.
»Haben Sie heute schon die Nachrichten gehört?« fragte Menden.
»Nein, aber ich habe schon Frühsport gemacht.« Füße aus dem Bett (Teil I,) und den Hörer ans Ohr gehievt, (Teil II meines neuerschienenen Fitneßvideos). Gott, ich hatte geratzt wie schon lange nicht mehr. (Titel: Alkohol und fettes Essen -Das neue Aerobic für Körper und Geist). Ohne ein gründlich durchfeuchtetes und auf mindestens 90° erhitztes Pfund Kaffee würde ich die Klüsen heute morgen nur schwer aufkriegen, fürchtete ich.
»Also wissen Sie noch gar nicht, was wir gestern abend in Oberhausen entdeckt haben?«
Wie man sich täuschen kann!
Ich stand, kerzengerade, die Augen weit, weit offen, und ich war wach, wach wie schon lange nicht mehr, und all das in einem Zeitraum nicht länger als der, den ein Peitschenknall zum, äh, Knallen braucht. Hose gestrichen voll, habe ich, glaub ich, noch zu erwähnen vergessen.
»Nein«, brachte ich mit einiger Mühe das eine Wort hervor, das mir im Umgang mit Hauptkommissar Menden immer als erstes einzufallen scheint.
»Nun, was schätzen Sie?«
Eine mit großer Hast verlassene Mietwohnung unterm Dach, Restspuren unterschiedlichster Drogen in den Ecken von Schubladen und sonstigen Behältnissen und die Fingerabdrücke eines des Mordes verdächtigten, steckbrieflich Gesuchten all over the place. Schätzte ich. Und der Schweiß brach mir aus. Wo mochten sie stecken? Irgend etwas mußte ich jetzt sagen. Irgend etwas Flapsiges, meiner Art Entsprechendes. Es wollte nichts kommen.
Ich sagte: »Sie wissen, ich hasse Ratespiele.«
»Wir haben in einem Gartenhäuschen die verstümmelte Leiche einer Frau gefunden. Auf die gleiche Art getötet und verstümmelt wie Monika Siebert.«
Heilige Scheiße! Jetzt würde es natürlich sofort heißen, der entsprungene >Schlächter von Bottrop< habe wieder zugeschlagen! Das würde den Fahndungsdruck noch mal erhöhen und brachte mich in eine beschissene Situation: Ich müßte jetzt Roselius' doppelte Unschuld beweisen, und das gegen die zweifach erhärtete Überzeugung der Polizei. Und sicher würden sie mich unter noch engere Beobachtung stellen, wenn nicht gar für ein paar Stunden jeden Tag auf die Wache zitieren und mit den immer gleichen Fragen nerven. Oh, Mann! Mein Hirn rotierte wie der Abflußstrudel einer Wanne, in der man einen langhaarigen Hund gebadet hat: Im Moment noch ein quirlendes, schäumendes Allerlei, doch jeden Augenblick konnte es Glucks machen und nichts würde mehr gehen. Dabei, und das war der Irrsinn, hatte Roselius einen Traum von einem Alibi.
Ich griff mir selbst an die Gurgel, in einer Attacke akuter Panik, jetzt das Falsche zu sagen.
»Sie sagen ja nichts«, beobachtete Menden mit professioneller Kühle.
Ich schüttelte mich wie ein frisch gebadeter Hund und riß mich am Riemen wie der eingenebelte Besitzer mit dem Handtuch in der Hand.
»Der Zeitpunkt, der ... wissen Sie schon wann, wie lange ...« stammelte ich.
»Sie meinen die Zeitspanne zwischen Eintritt des Todes und dem Auffinden der Leiche? Ja?«
Ich nickte, was er durchs Telefon nicht sehen konnte, aber er sprach trotzdem weiter. »Zirka fünf Tage, schätzt die Gerichtsmedizin.«
»Ha!« entfuhr es mir, »da saß Roselius ja noch in Ratingen -«
»Ich weiß«, unterbrach er mich. »Darum rufe ich Sie ja an.«
Das hätte er auch gleich sagen können, der Sack, dachte ich finster. Typisch.
»Wie es aussieht, ist der Mieter des Gartenhäuschens flüchtig. Ein 32jähriger Mann von außerordentlich beschränkter Intelligenz, der als besonderes Kennzei-«
»Sprechen Sie nicht weiter!« unterbrach ich ihn diesmal, »einen Überbiß hat wie Bart Simpson. Stimmt's?«
»Ich kenne zwar keinen Bart Simpson«, kam es etwas ratlos aus dem Hörer, »aber ich sage mal, Sie haben recht. Wissen Sie vielleicht auch wo
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