Projekt Wintermond
Alters saß hinter dem Empfang. Garuda schritt forsch auf sie zu.
»Cavendish-Deloy, bitte.«
»Mit wem möchten Sie sprechen?«
Garuda schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Mit einem der Chefs. Mr Kammer.«
»Besuche für Mr Kammer müssen bei seiner Sekretärin angemeldet werden. Ich rufe sie an. Wen darf ich melden?«
»Lou Garuda.«
Die Frau wählte einen Nebenanschluss im Haus und sprach mit jemandem am anderen Ende der Leitung. »Ja, ich richte es ihm aus«, sagte sie schließlich, ehe sie auflegte.
Sie hob den Blick. »Tut mir Leid. Da Mr Kammer Sie nicht kennt, müssen Sie zuerst einen Termin mit seiner Sekretärin vereinbaren. Ich gebe Ihnen die Nummer.«
»He, es ist sehr wichtig. Ich möchte persönlich mit Kammer sprechen.«
Die Frau reichte Garuda die Nummer. »Ich fürchte, das geht nicht. Mr Kammer nimmt nie Gespräche entgegen. Sie laufen alle über seine Sekretärin.«
Garuda verließ das Gebäude und wählte auf seinem Handy die Nummer. »Ja?«, sagte eine weibliche Stimme.
»Ich möchte mit Mr Kammer sprechen.«
»Wen darf ich melden?«
»Lou Garuda. Es ist privat.«
»Mr Kammer ist zurzeit nicht im Hause. Sie können gern eine Nachricht hinterlassen oder einen Termin vereinbaren…«
»Hören Sie, Lady. Sagen Sie Kammer, dass es um einen ehemaligen Kollegen von ihm geht. Sein Name ist Paul March. Ich habe Informationen, die ihn vielleicht interessieren. Ich bleibe am Apparat.«
»Mr Kammer ist nicht im Hause, und .«
»Hören Sie mit dem Quatsch auf, und sagen Sie Ihrem Boss Bescheid.«
Die Sekretärin seufzte. Wenig später hörte Garuda eine Männerstimme. »Ja?«
»Mr Kammer?«
»Wer sind Sie?«
»Mein Name ist Lou Garuda. Ich habe interessante Informationen für Sie, Sir. Es geht um Paul March.«
»Wen?«
»Ein Kollege, mit dem Sie bei der Prime International gearbeitet haben.«
Der Mann schwieg einen Moment, bevor er antwortete. »Wer sind Sie, Mr Garuda?«
»Polizist. Es wäre schön, wenn ich mit Ihnen sprechen könnte, und zwar schnell.«
Wieder dauerte es ein paar Sekunden, ehe Kammer antwortete. »Von wo rufen Sie an?«
»Ich stehe unten an der Straße.«
»Wir treffen uns in fünf Minuten. Mein Büro ist im sechzehnten Stock.«
Garuda fuhr mit dem Aufzug. Als er die Kabine verließ, betrat er eine elegante, stilvolle Büroetage. Hinter einer Rezeption führten sechs Türen zu den Büros. Durch eine dieser Türen trat soeben eine Frau. Sie hatte ihr Haar zusammengebunden und wirkte unnahbar. »Mr Garuda?«
»Hundert Punkte.«
»Ich bin die Sekretärin von Mr Kammer. Folgen Sie mir bitte.« Sie führte ihn einen Gang hinunter. Vor einer Tür blieb sie stehen, klopfte an und öffnete. »Mr Kammer erwartet Sie.«
Garuda betrat das Büro und schloss die Tür hinter sich. Ein dürrer Mann um die vierzig saß hinter einem Schreibtisch aus Glas und Metall. Vor ihm lag ein Notebook. Er trug ein schneeweißes Hemd, eine Seidenkrawatte und Hosenträger. Seine tief liegenden Augen musterten Garuda. Der Banker hielt es nicht für nötig, aufzustehen und Garuda die Hand zu reichen. »Nehmen Sie Platz.«
Garuda setzte sich und betrachtete die zeitgenössischen Gemälde an den Wänden. Es waren mit Sicherheit kostbare Werke, doch Garudas Geschmack entsprachen sie nicht. »Sie haben ein schickes Büro, Mr Kammer. Sehr beeindruckend.«
»Danke. Kommen wir zur Sache. Sie sind bei der Polizei?«
Garuda reichte Kammer seine Dienstmarke.
»Ist das ein offizieller Besuch?«, fragte Kammer.
»Nicht direkt.«
»Und was haben Sie mir so Wichtiges zu sagen?«
»Paul March war früher bei der Prime International beschäftigt. Er war ein Kollege von Ihnen. Vor zwei Jahren verschwand er spurlos. In derselben Nacht wurde seine Frau ermordet, und die Polizei scheint ihn für den Täter zu halten. Ich habe den Fall damals bearbeitet. Es war ein schreckliches Blutbad. Marchs Sohn wurde durch einen Schuss zum Krüppel, und seine Tochter entkam nur knapp einer Vergewaltigung.«
»Ja, eine tragische Geschichte. March war ein guter Banker, der von allen geachtet wurde. Ich war damals erst ein Jahr beim Unternehmen und kannte ihn kaum. Was hat das alles mit mir zu tun?«
Garuda zog seinen Notizblock und einen Stift hervor.
»Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Erzählen Sie mir zuerst einmal etwas über die Prime International.«
»Die Prime war eine private Investmentbank, Mr Garuda. Aber das wissen Sie sicher schon.«
»Um welche Anlagengeschäfte handelte es sich
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