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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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wusste, wie er war.«
    »Also konntest du dich wappnen, um es durchzustehen.«
    »Und ich konnte ihn hassen.«
    Billy sah ihn fragend an. »Und das ist gut?«
    »Es verhindert, dass der Hass in irgendeinen dunklen Winkel verdrängt wird und dort weiterbrodelt«, erklärte Clevenger. Er überlegte kurz. »Wenn der Highwaykiller eine Mutter hatte, die manchmal freundlich und liebevoll und dann wieder sadistisch war, hätte er seine Wut nie ausleben können. Also staut sie sich zwangsläufig in seinem Unterbewusstsein an. Denn was er in dieser Welt liebt, diese vorbildliche Mutter, die er beschreibt, ist gleichzeitig diejenige, die ihn quält. Also gibt es kein Ventil für den Hass. Greif die ›Teufelin‹ an, und du greifst auch den ›Engel‹ an. Bring den einen um, und beide sterben.«
    »Was der Grund ist, warum er andere Leute umbringt, sie sind nur ein Ersatz für sie.«
    »Könnte sein.« Es würde zumindest erklären, wie der Highwaykiller seinen Opfern so nah kommen konnte. Er hatte die idealisierte mütterliche Bindung nachgeahmt, nur um sie dann mit einem plötzlichen Schnitt zu kappen – wortwörtlich. Paulette Bamberg war einfach dem Original zu ähnlich. Wahrscheinlich eine Frau im Alter seiner Mutter. Möglicherweise eine Frau, die sogar wie seine Mutter aussah.
    »Dann hat sie vielleicht wirklich diese Feier für ihn veranstaltet«, fuhr Billy fort, »und er hat all die Geschenke gekriegt, und dann sind sie nach Hause gekommen, und sie war plötzlich ein anderer Mensch. Hat aus heiterem Himmel auf ihn eingeprügelt. Hat herumgebrüllt, dass sie nicht genug Geld hätten. Hat seine Spielsachen kaputtgemacht.«
    Nicht schlecht, dachte Clevenger bei sich. Der Junge dachte wirklich gut mit. »Und als das passiert«, sagte Clevenger, »löst er das Bild des Engels von ihr los und hält es in der Ecke lebendig, während er die Prügel einsteckt. Er kann es einfach nicht ertragen, dass seine Mutter auf ihn einschlägt. Also erfindet er einen brutalen Vater.« Er nickte befriedigt. »Willst du wissen, was ich denke? Er hatte überhaupt keinen Vater. Oder wenn überhaupt, dann nur einen sehr, sehr schwachen.«
    »Und, was machen wir jetzt?«, fragte Billy aufgeregt.
    Clevenger zwinkerte ihm zu. »Wir bringen dich in den Entzug.« Die Worte waren noch nicht ganz ausgesprochen, als er bereits erkannte, dass sie schroff klangen. Kaltschnäuzig. Er sah, wie Billy den Kopf hängen ließ. »Und wenn du wieder draußen bist«, fügte er eilig hinzu, »dann möchte ich, dass du mit mir nach Quantico kommst und dich richtig mit dem Fall vertraut machst.«
    Das Feuer in seinen Augen flammte umgehend wieder auf. »Ist das dein Ernst?«, fragte er. »Du nimmst mich mit?«
    »Du hast wirklich Talent dafür«, sagte Clevenger. »Ich könnte deine Hilfe brauchen.«
     
     

8
     
    Nach Mitternacht, 8. April 2004
    Rock Springs, Wyoming
     
    Jonah verließ sein Zimmer im Rock Springs Ambassador Motel um null Uhr zwanzig. Er erlebte eine jener »wahren, dunklen Nächte der Seele«, über die sein verehrter F. Scott Fitzgerald geschrieben hatte. Sein spartanisches Zimmer kam ihm wie ein Sarg vor.
    Er konnte nicht länger als eine Viertelstunde schlafen, ohne dass ihn sein vertrauter Albtraum aufschrecken ließ, doch diesmal in einer grausigen Abwandlung. Die Frau mit den langen blonden Locken, die ihn liebkoste und dann mit ihren Zähnen sein Fleisch von den Knochen riss, begierig darauf, sein Herz zu verschlingen, sah ihn jetzt mit den Augen seiner Mutter an. Hellbraun. Strahlend. Und selbst im Schlaf fühlte er, wie er nach ihrer Liebe dürstete, während er gleichzeitig zu entkommen suchte, und er schlief länger, als er sollte, lang genug, um ihr zu sagen, dass er sie liebte, doch auch lang genug, dass die Bestie Gelegenheit hatte, sein Brustbein aufzubrechen. Wenn er schließlich aufwachte, so tat er es mit einem Schrei und umklammerte panisch seine Brust, damit ihm sein zerfetztes Herz nicht aus dem Leibe fiel.
    War es das, was Clevenger und McCormick vorhatten? Ihm den einzigen wahren Trost zu rauben, den er je gehabt hatte? Ihm die Erinnerung an seine Mutter zu nehmen? Sie zu besudeln? Ihn vom Gipfel der Einsamkeit in den Wahnsinn zu treiben?
    Seine Schläfen pochten, und sein Kiefer war verkrampft, als er in seinen BMW stieg, die Zehnte Symphonie von Mahler anstellte und zur Route 80 East fuhr. Er folgte ihr gute sechzig Meilen bis zur Ausfahrt Bitter Creek, was weit genug vom Krankenhaus entfernt war, um zu verhindern,

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