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Puppen

Puppen

Titel: Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Niall Wilson
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allein im Schatten und beobachtete, wie die anderen die reglose Kayla umringten. Sie lag noch immer auf dem Altar, auf einem Kissen aus Ambiana-Blumen. Zwar stammte sie nicht aus dem urrythanischen Volk, doch ihre Züge
    offenbarten Ruhe und Frieden. Die Stimme der Alten rief, verlieh ihr Schönheit und Harmonie. Mit einem solchen
    Gesichtsausdruck hätte selbst ein großes Insekt schön gewirkt
    – die Eine Stimme schuf Anmut.
    Die Vorbereitungen für das Aufsteigen hatten begonnen. Es gab viel zu tun, und ein solches Ereignis war gewiß nicht alltäglich. Vok kannte alle Einzelheiten der Rituale, und daher wußte er auch, daß sie durchaus gefährlich sein konnten. Alle mußten genau verstehen, worauf es ankam; niemandem durfte ein Fehler unterlaufen. Die Gefahr drohte nicht nur der fremden Frau, sondern auch – und sogar in einem noch
    größeren Maße – Vok und seinen Helfern.
    Das Aufsteigen erforderte ein komplexes Muster aus Liedern und Gesängen, um die Seele in perfekter Harmonie mit der Einen Stimme zum Langen Schlaf zu geleiten. Wenn das Ritual unterbrochen oder nicht beendet wurde… Dann mochte es
    geschehen, daß die daran Beteiligten sich nicht aus der Einheit zurückziehen konnten. In dem Fall wurden sie zur Einen Stimme gezogen und bekamen einen Vorgeschmack auf das, was ihre eigene Zukunft bereithielt. Wenn so etwas passierte, konnten sie sich nur mit der Energie der geleiteten Seele aus der Verschmelzung lösen, um zurückzukehren und zu warten, bis sie – irgendwann -selbst an die Reihe kamen. Vok begriff, daß sie mit der Frau ein erhebliches Risiko eingingen. Wenn es nicht gelang, sie mit der Einen Stimme zu vereinen…
    Wie dem auch sei: Seit den fast vergessenen Tagen seiner Kindheit hatte Vok nicht mehr so viel Energie an diesem Ort gesehen. Er spürte sie nicht direkt, sondern fühlte, wie sie sich mit den Ältesten verband, mit dem Langen Schlaf und dem, was kommen mochte. Vok nahm die Energie von innen her
    wahr, doch für die anderen existierte sie in der Welt, die sie umgab. Er spürte sie als Teil des großen Ganzen, aber er konnte sie nicht mehr so wahrnehmen wie die übrigen
    Angehörigen seines Volkes. Aufgeregt sprachen sie
    miteinander und beeilten sich, um die letzten Vorbereitungen zu beenden. Mit neuem Eifer widmeten sie sich den täglichen Meditationen und Ritualen.
    Vok entsann sich vage an ähnliche individuelle Emotionen, und aus irgendeinem Grund beunruhigte ihn die
    Aufmerksamkeit, die man Kayla entgegenbrachte. Er wäre glücklicher gewesen, wenn die Bemühungen seinem eigenen Aufsteigen gegolten hätten.
    Einer wandte sich von den anderen ab und kam näher: der junge Urrythaner namens Ban. Er hielt sich selbst für ein Oberhaupt der Gemeinschaft, obgleich er erst neunzig Sommer zählte. Zwar kannte er die Legenden und Lehren, doch bisher sah er kaum mehr darin als Geschichten. Er hatte noch nicht die Gemeinschaft mit den Alten erfahren.
    In den Augen des jungen Urrythaners deutete etwas darauf hin, daß er das Selbst liebte, die Individualität. Ban spürte die Präsenz der Alten, aber er war noch nicht bereit, sich mit ihnen zu vereinen. Er hielt sich noch immer als Individuum für wichtig, und eine der wichtigsten Lektionen, die man vor dem Aufsteigen lernen mußte, bestand darin, daß die Eine Stimme alles war und das eigene Selbst nichts ohne die Harmonie.
    Vok nickte, als sich ihm der jüngere Mann näherte, zeigte damit seine Bereitschaft, ihm höflich zuzuhören. Darin bestand eine seiner Pflichten als Ältester.
    »Die Fremden sind zum Innenbereich unterwegs«, sagte Ban.
    »Ich meine jene Frau, die sich Captain nennt, außerdem den Mann mit den spitzen Ohren und noch jemanden. Sie wandern zum Ruheort der ältesten Alten. Ich habe mit den anderen gesprochen.« Ban deutete zu einer großen Gruppe, die abseits stand und sie aufmerksam beobachtete. »Sie glauben, daß es die Sternreisenden auf das Geheimnis unserer Ahnen
    abgesehen haben. Sie müssen aufgehalten werden, bevor sie stehlen oder entweihen, was sie nicht verstehen.«
    Wenn Vok nicht voll und ganz Herr seines Bewußtseins
    gewesen wäre, hätte er jetzt vielleicht gelächelt. Der junge Bursche – die ›neue‹ Seele – befürchtete eine Störung der Vorfahren durch Besucher aus dem All, von denen er
    überhaupt nichts wußte. Eigentlich hatte er nicht die geringste Ahnung, welche Konzepte tatsächlich auf dem Spiel standen.
    Vok fand es interessant, daß sich Captain Janeway dem
    Innenbereich

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