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Puppen

Puppen

Titel: Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Niall Wilson
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näherte, dem Ruheplatz der Alten, aber
    letztendlich kam diesem Umstand nur geringe oder gar keine Bedeutung zu. Sie hatte nicht die Möglichkeit, das
    Unvermeidliche zu verhindern. Vermutlich geschah folgendes: Je näher Janeway und ihre Begleiter der Wahrheit kamen, desto weniger würden sie sich ihrer Richtigkeit widersetzen können. Vok fragte sich kurz, ob Janeway aus freiem Willen beschlossen hatte, weiter ins Innere der Ruinenstadt
    vorzustoßen. Oder war sie einem Ruf gefolgt?
    »Es ist alles in Ordnung«, wandte er sich an den jüngeren Mann. »Fahren Sie fort wie bisher. Vervollständigen Sie das Ritual. Ganz gleich, was die Fremden auch unternehmen: Sie können die Dinge nicht verändern, es sei denn zu ihrer eigenen Besserung. Denken Sie nicht mehr an die Besucher. Dadurch lenken Sie sich nur ab, und unter den gegenwärtigen
    Umständen könnte Ablenkung sehr gefährlich sein.
    Richten Sie den Blick statt dessen nach innen. Besinnen Sie sich mehr auf das Ambiana und die Harmonie. Suchen Sie, was uns verhießen ist. Nehmen Sie es auf in Ihren Geist und freuen Sie sich darüber. Sie kennen die Tradition, die Lehren und Legenden. Auch das Ritual ist Ihnen bekannt. Führen Sie es durch. Alles andere spielt nur eine untergeordnete Rolle.«
    »Die Präsenz der Fremden profaniert das, was heilig ist, Ältester. So etwas können wir doch nicht verzeihen, oder?
    Respektlose Besuche in den Sälen der Alten geziemen sich nicht. Ebensowenig dürfen sie geplündert werden.«
    »Es steht weder Ihnen noch mir zu, irgend etwas zu verzeihen oder nicht«, erwiderte der alte Urrythaner in einem sanften Tonfall. »Was auch immer die Besucher herausfinden und wie auch immer sie sich verhalten: Sie können das Aufsteigen nicht verhindern. Sie begegnen den Alten mit Ehrfurcht, und das ist gut so, aber Sie vergessen, daß sie auch über eigene Macht verfügen. Ihre Stimme wird sie schützen.«
    Der jüngere Mann nickte, doch ein kurzes Aufblitzen in seinen Augen verriet: Zwar respektierte er Vok, aber er weigerte sich, den gerade vernommenen Ausführungen zu
    glauben. Ein seltsames Feuer brannte in ihm, eine
    Individualität, die nur Zeit und Mäßigung tilgen konnten.
    »Ich möchte nicht, daß Sie den Besuchern zum Innenbereich folgen«, fuhr Vok fort. »Es käme einer Beleidigung der Vorfahren gleich, ihre Ruhestätte aus einem solchen Grund aufzusuchen – um Gewalt anzuwenden. Das wäre falsch.
    Konzentrieren Sie sich auf die Zeremonie; lassen Sie Janeway und die anderen in Ruhe. Noch mehr Zwietracht hat keinen Sinn und führt zu nichts.«
    Ban wandte sich langsam ab, ohne auf Voks Worte zu
    reagieren. Eine gewisse Anspannung in seinen Schultern deutete darauf hin, daß er nicht glaubte, den richtigen Rat bekommen zu haben. Doch weder Gesichtsausdruck noch
    Körpersprache gaben zu erkennen, was er mit den erhaltenen Informationen anzustellen gedachte. Er war jung und feurig, doch bisher hatte er immer den Ältesten und der Harmonie gehorcht. Vok wußte, daß er nur warten und beobachten
    konnte; darin bestand seine Verantwortung.
    Ban und seine Freunde hatten bei der jüngeren Generation viele Anhänger. Ohne jene Art von Energie, die Ban und seine Gefolgsleute verströmten, gab es keinen Fortschritt und kein Überleben. Und ohne das Überleben konnte es niemand bis zum Aufsteigen schaffen. Diese Erkenntnis erfüllte Vok mit Kummer, denn inzwischen hatte ihn das Alter Mäßigung und Weisheit gelehrt. Aber ihm fehlten sowohl die Kraft als auch der Wille, während einer so späten Phase seiner Lebensreise zu versuchen, die Ordnung der Dinge zu verändern. Inzwischen war er fast für die Zeremonie des Aufsteigens bereit, um sich den Alten in ihrem Schlaf hinzuzugesellen.
    Er beobachtete, wie Ban zu den anderen zurückkehrte und einige von ihnen beiseite nahm, während die Vorbereitungen für das Aufsteigen der fremden Frau fortgesetzt wurden. Vok konnte nicht hören, worüber Ban und seine Freunde sprachen.
    Aber selbst wenn er in der Lage gewesen wäre, irgend etwas zu verstehen – er hatte seinen Ausführungen nichts mehr hinzuzufügen.
    Wenn er jetzt zu ihnen ging und die an Ban gerichteten Worte wiederholte – man hätte ein Zeichen von Schwäche darin gesehen. So etwas kam nicht in Frage, denn immerhin war er ein Ältester. Die Jungen würden auf ihn hören, wenn sie nicht all das aufgeben wollten, was vor ihnen existiert hatte, die Weisheit vieler Generationen. Zwar würde Vok nicht mehr lange Gelegenheit haben, sie

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