Puppen
zu beraten, aber er vertraute darauf, daß sie seine Worte nicht einfach vergaßen und seinem Rat auch dann noch folgten, wenn er nicht mehr bei ihnen weilte.
Er seufzte tief, nahm in einer Nische Platz und lehnte sich dort an den kühlen Stein der Bergwurzeln. Deutlich spürte er die vereinten Stimmen der Alten und nahm ihre stärker
werdende Resonanz wahr. Die anderen Urrythaner fühlten es ebenfalls, aber niemand von ihnen auf eine so intensive, perfekte Weise. Vok wußte: Ein Teil von dem, was die anderen wahrnahmen, kam aus seinem Innern. Er war ihre nächste Verbindung, und wenn er sie bei den rituellen Meditationen führte, kamen sie den Alten näher.
Die Kraft der Einen Stimme erstaunte ihn. Sie wuchs immer mehr, füllte sein Selbst und stahl ihm die Gedanken. Schon seit Tagen konnte er sich nicht mehr richtig konzentrieren und verbrachte immer mehr Zeit in voller Gemeinschaft.
Das Erwachen…
Es dauerte nicht mehr lange. Das hoffte Vok inständig. Bevor es für ihn Zeit wurde, mit dem Langen Schlaf zu beginnen, wünschte er sich nichts sehnlicher, als das Wunder zu sehen und die Wahrheit der Alten direkt in einer Vision zu
beobachten, nicht als ein Bild, das sich in seinem geistigen Kosmos bildete, geschaffen von der eigenen Phantasie und dem Einfluß der Harmonie. Er glaubte daran und lebte dafür, hatte es gelehrt und gepredigt – ohne es jemals zu sehen. Kein lebender Urrythaner konnte von sich behaupten, Augenzeuge zu sein. Alles basierte auf Jahrtausenden des Glaubens, und jede Generation folgte den Worten der Vorfahren. Der Glaube führte sie in eine ungewisse Zukunft.
Inzwischen existierten in den Gärten viele Orte, die als Ruheplätze für vergangene Generationen von Ältesten dienten.
Dem Himmel reckten sie sich entgegen, kühl und steinern. Nur die Vibration ihres Inhalts verriet, daß der Eindruck von Tod und Trostlosigkeit täuschte. Weiter innen wölbte sich selbst der Boden dem Firmament entgegen, als sei er bestrebt, die Ruhestätten allmählich zu verschlingen. Jene Plätze suchte Vok auf, wenn er Gelegenheit dazu fand, preßte dann die Wange an Säulen und fühlte dabei die pulsierende Kraft des Lebens, die sie alle in einem Schicksal vereinte.
Das genügte eigentlich, aber trotzdem wünschte er sich die Vision, als eine Erinnerung, die er in den Langen Schlaf mitnehmen konnte. Er hoffte darauf, Zeuge eines Erwachens zu werden. Die Stimmen seiner Vorgänger flüsterten ihm zu, und er wußte, daß sie die Wahrheit sprachen. Wenn er noch ein wenig länger durchhielt, noch etwas damit wartete, ganz mit der Harmonie zu verschmelzen… Dann ging sein Wunsch in Erfüllung.
Vok schloß die Augen, ließ sich hineintreiben in die Eine Stimme und seine Sinne vom Planeten vereinnahmen, während er über das Bevorstehende nachdachte. Er bemerkte nicht, wie ihm die anderen verstohlene Blicke zuwarfen, wie einige von ihnen näher kamen, um festzustellen, ob er bereits die Realität verlassen hatte oder noch in ihrer Welt weilte. In einigen Mienen zeigte sich Betroffenheit, während Ban und seine Freunde aufgeregt wirkten.
Als sie sicher sein konnten, daß Voks Trance andauerte, brachen Ban und seine Gefolgsleute auf. Sie ließen gerade genug Leute zurück, um die Zeremonie durchzuführen und den Gesang auf einem Niveau zu halten, das ausreichte, um Vok zu täuschen. Er sollte in der Einen Stimme nicht die Fluktuationen bemerken, die darauf hindeuteten, daß jemand fortgegangen war.
Ban beobachtete den Ältesten, als sie an ihm vorbeikamen.
Vok rührte sich nicht. Am Fuß des Berges saß er, und seine Wange ruhte am kalten Stein. Er spürte nicht das kurze Zittern in der Einen Stimme. Sein Selbst blieb beim Gesang der Alten, die ihn heimriefen.
Die von Ban angeführte kleine Gruppe verließ die Siedlung und näherte sich den Gärten. Über die Oberfläche des Planeten wanderten sie, durch das Licht, das sie normalerweise mieden, über eine Welt, die einst Heimat der Ahnen gewesen war.
Diese Heimat galt es nun zu verteidigen. Sie wollten die Fremden verjagen, auf daß die Gärten heilig blieben. Darin bestand der – recht vage – Plan.
Im Grunde genommen wußten Ban und seine Freunde
überhaupt nicht, was sie in den Gärten erwartete. Die Fremden und ihr Raumschiff mochten gefährlich sein, aber trotzdem hielten sie es für notwendig, das Sakrale zu verteidigen. Es war falsch, daß die heiligsten Orte von Geschöpfen besucht wurden, die überhaupt nicht von dieser Welt stammten. Eine
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