Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
um Straßenräuber? Und was hatte Saïd mit osmanischen Hunden gemeint? Auf jeden Fall musste es einen Kampf gegeben haben, aus dem Saïd und seine Männer siegreich hervorgegangen waren. Keiner von ihnen schien ernsthaft verletzt zu sein, wenn man von Saïds Würgemalen absah, diese hier aber hatten mit ihrem Leben bezahlt.
Neben ihr stieß Yasmîna plötzlich einen erstickten Laut aus. Sie schlug die Hand vor den Mund, duckte sich hinter Sarahs Rücken und deutete mit aufgerissenen Augen auf das letzte Pferd in der Reihe. Es war gesattelt und gezäumt wie die anderen vier, und auch über seinem Rücken hing ein Toter. In der klaffenden Wunde zwischen seiner Kleidung und dem angetrockneten Blut am Hals schimmerten Knochen hervor, der Kopf selbst aber baumelte lose hin und her und drohte herunterzufallen.
Das Pferd hatte die Augen aufgerissen, so dass man das Weiße sah, schlug unentwegt mit dem Schweif, schnaubte und tänzelte, als wolle es die Last loswerden. Bei jeder Bewegung schwang der Schädel hin und her und schlug gegen seinen Bauch, was die Angst des Pferdes noch vergrößerte.
Niemand rührte sich oder konnte die Augen von diesem schaurigen Anblick lösen. Azîza wandte sich als Erste ab. Sie räusperte sich mehrmals und murmelte etwas, das wie eine Beschwörung klang. Dann fragte sie ihren Bruder: » Möchtest du etwas trinken, etwas essen?«
Essen, angesichts dieses Grauens? Sarahs Magen hob sich, und sie schaffte es gerade noch zu einem Felsbrocken. Würgend und keuchend übergab sie sich, bis das Bittere kam.
*
Der Nomadenjunge kaute an seinen Lippen. Omar umkreiste ihn. Er betrachtete den Fremden von allen Seiten, seine zerlumpte Kleidung, die strähnigen Locken, die ihm ins Gesicht fielen, die zerschlissenen Sandalen. Dann zischte er etwas Unverständliches, wandte den Kopf zur Seite und spuckte auf den Boden.
Er ging zu den Pferden hinüber, wobei er einen Bogen um die Tiere mit der Totenlast machte. Denen wollte auch Omar nicht zu nahe kommen, und sicherheitshalber hielt er abwehrend die gespreizten Finger seiner Hand in ihre Richtung. Erst bei einem der eigenen Pferde blieb er stehen, sprach leise Worte zu ihm und strich liebevoll über dessen Hals.
Abdallah war Omars Verachtung nicht verborgen geblieben. Ob er den Spurensucher kannte? Er folgte ihm. » Wer ist das?«, fragte er Omar, der fortfuhr, das Pferd zu streicheln.
» Einer von den Aït Yahya. Sie weiden ihre Tiere am Djebel Ayachi. Ich hörte, sie haben einen marabout, der mit ihnen wandert und ihnen von Allahs Zorn und der Hölle und der ewigen Verdammnis predigt. Den da habe ich schon einmal gesehen, aber ich kenne seinen Namen nicht.« Omar zuckte die Schultern. » Mehr weiß ich nicht.«
» Ouacha. Halte Ohren und Augen nur weiter offen. Und jetzt gib den Pferden zu saufen.«
Schon wieder ein marabout, der Unfrieden säte, dachte Abdallah. Viele von ihnen wanderten derzeit durchs Land. Die meisten kamen aus den Wüsten des Ostens oder aus Al-Andalus , nannten sich Sherif und behaupteten, sie stammten in direkter Linie vom Propheten ab. Alle predigten sie vom drohenden Ende der Welt und dem einzigen Weg zur Erlösung, nämlich dem, den sie selbst lehrten. Manche wurden als Wunderheiler sogar angebetet, und die Menschen warfen sich vor ihnen in den Staub. Die sogenannten Heiligen aber taten nichts, um sie davon abzuhalten, im Gegenteil. Allahs Zorn sollte am Tag des Gerichts über sie kommen!
Abdallah umkreiste den Gefangenen, wie es der Karawanenjunge vor ihm getan hatte. » Wie ist dein Name?«, fragte er. » Woher stammst du, und was hast du mit jenen dort zu schaffen?« Dabei wies er auf die toten Söldner. » Du, ein Masir, lässt dich von Osmanen anwerben? Wo hast du deinen Stolz?«
Der Gefesselte hielt den Kopf gesenkt. Er nagte weiter an seinen Lippen, antwortete jedoch nicht.
» Warum habt ihr uns verfolgt? Was haben diese Osmanen hier zu suchen, so weit von Féz entfernt? Wer gab euch den Auftrag, uns zu überfallen?«, drang Abdallah weiter in ihn.
Doch der Nomade schwieg.
» Mustapha von Smyrna hätte dir die Antworten aus dem Leib geprügelt, nicht wahr? Seine Peitsche muss noch bei den Sachen sein. Soll ich sie holen lassen?« Abdallahs Stimme wurde hart.
Jetzt hob der Junge den Kopf. » Woher kennst du seinen Namen?«
» Wir wissen mehr, als du ahnst. Also antworte und sprich wahr. Wie heißt du?«
» Lahsen.«
» Und weiter?«
Kopfschütteln, nichts sonst.
Abdallah wartete, der Bursche aber
Weitere Kostenlose Bücher