Pusteblume
liebe Güte. Und wie geht’s mit Lars?«
»Sehr gut.« Liv klang ungewöhnlich optimistisch. »Er sagt, diesmal wird er seine Frau wirklich verlassen.«
»Phantastisch!« zwang Tara sich zu sagen. Sie war nicht überzeugt. Sie mochte Lars nicht. Bloß weil er groß und blond und knackig war, hatte er noch längst nicht das Recht, Liv anderthalb Jahre vorzumachen, daß er seine Frau verlassen würde. »Wann fährt er?« fragte Tara.
»Am Samstag.«
»Gut. Ich komme dann vorbei, um Händchen zu halten und Tränen zu trocknen.«
»Ich muß aufhören«, flüsterte Liv, »die Midas-Frau kommt gerade wieder.«
»Hat er seine Frau verlassen?« fragte Ravi, als Tara aufgelegt hatte.
»Er sagt, er ist ganz nah dran«, sagte sie, und sie verdrehten beide die Augen. Als nächstes wählte Tara Fintans Nummer. Vinnie sah sie scharf an. »Wenn ich meine Freunde nicht anrufen darf, maile ich ihnen«, sagte Tara, damit er fairerweise Bescheid wußte.
»Och, tu das nicht«, warf Ravi ein. »Wie soll ich dann wissen, was los ist?«
»Zum Glück seid ihr gut, wenn ihr mal arbeitet«, brummelte Vinnie.
Fintan war nicht bei der Arbeit. Angeblich war er krank. Tara wußte, was mit ihm los war. Als sie am Abend zuvor gegen zwölf bei Katherine aufgebrochen war, machten sich auch Fintan und Sandro auf den Weg. Für sie fing der Abend gerade erst an. »Ich werde mich sinnlos betrinken«, hatte Fintan erklärt.
Tara wählte seine Privatnummer.
»Fintan hat einen Kater, wie?« fragte Ravi.
»Da mache ich jede Wette«, sagte Tara. Sie mußte das Telefon ewig läuten lassen, bevor Fintan abnahm. »Na, was ist los, du Trunkenbold?«
»Ich habe was am Hals. Eine riesige Schwellung.«
»Mein Gott, bist du eitel«, stöhnte Tara. »Jeder kriegt mal einen Pickel.«
»Nein, Tara, es ist kein Pickel. Es ist eine Schwellung, mit der ich wie der Elefantenmensch aussehe.«
»Heute morgen hatte ich auch eine Begegnung mit dem Schwarzen Tod«, erklärte Tara. »Hitzewallungen!«
»Nein, wirklich, Tara«, beharrte Fintan. »Ich meine es ernst. Ich habe eine Schwellung am Hals von der Größe einer Melone.«
»Beschreibe sie. Was für eine Schwellung?«
»Von der geschwollenen Art.«
»Aber bestimmt nicht so groß wie eine Melone?« Fintans Dramatisierung amüsierte sie. »Eher wie eine Weintraube, oder?«
»Nein, Tara, viel größer. Ich schwöre, sie ist so groß wie eine Melone.«
»Was für eine Melone? Eine Honigmelone? Eine Netzmelone? Eine Wassermelone?«
»Also meinetwegen – vielleicht nicht wie eine Melone, aber bestimmt so groß wie eine Kiwi.«
»Reib es mit Savlon ein.«
»Savlon! Ich brauche Medikamente.«
»Dann solltest du besser zum Arzt gehen.«
»Ach wo«, sagte er sarkastisch. »Ich dachte, ich bleibe einfach so lange hier liegen, bis mein Hals von allein wieder dünn wird. Ich habe heute abend einen Termin«, fügte er hinzu.
Er klang besorgt, so daß ihr ihre Witzeleien leid taten. »Soll ich mitkommen?« fragte sie und legte dann die Hand halb über die Muschel: »Vinnie läßt mich gehen, wenn ich sage, daß ich meine Periode habe. Manchmal habe ich sie zwei-oder dreimal im Monat, aber er ist so verlegen, daß er nichts sagt.«
»Ist nicht nötig, ich komme schon klar.«
»Wann, meinst du, bist du zu Hause?«
»Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, aber sagen wir acht, um auf Nummer Sicher zu gehen.«
»Ist gut. Ich rufe dich an. Alles Gute, aber ich denke wirklich, es ist nichts.«
Sobald sie den Hörer aufgelegt hatte, wollte Ravi wissen: »Was ist mit Fintan?«
»Geschwollene Drüsen oder so«, sagte Tara achselzuckend. »Er ist ein richtiger Hypochonder.«
Dann rief sie Katherine an, aber die war noch beim Lunch. Um halb vier? dachte Tara. Das war gar nicht typisch für die vorbildliche Katherine.
»Vinnie, du kannst beruhigt sein, ich habe sie alle durch.«
Doch als Tara sich wieder ihrer Arbeit zuwandte, mußte sie an Fintan denken. Und wenn er nun nicht schauspielerte und um Aufmerksamkeit buhlte? Wenn er nun wirklich krank war? Und etwas Ernstes hatte? Das war immer das Problem, wenn ein schwuler Freund krank wurde. Sofort dachte man an die Krankheit mit A. Doch dann war ihr nicht wohl bei ihren Überlegungen – war sie wirklich der Meinung, daß zwischen Schwulen und Aids eine unauflösbare Verbindung bestand?
Ihre besorgten Gedanken über Fintan wanderten weiter zu Thomas. Was war zwischen ihnen schiefgelaufen? Vielleicht spielte es sich nur in ihrem Kopf ab? Aber sie wurde
Weitere Kostenlose Bücher