Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
stimmt
schon«, gab Kathleen zu, »aber Sie dürfen nicht die anderen Rebellen nach ihm
beurteilen. Es sind ganz gewöhnliche Leute wie Tom Wallcreek.« Bei der bloßen
Erwähnung des Namens errötete das Mädchen heftig.
Annies Herz machte einen Sprung und
beruhigte sich dann wieder. Sie hatte recht gehabt, die junge Magd war in Tom
verliebt. Aber war es möglich, daß noch mehr dahintersteckte?
»Kathleen, sind Sie eine von ihnen?«
»Nein«, war die aufrichtige Antwort,
und Annie glaubte sie. »Aber sie werden siegen, Miss, und ihre Anführer haben
einen Preis auf den Kopf des Prinzen ausgesetzt. Er wird hängen, sagen sie,
noch bevor dieser Monat vorüber ist.«
In Gedanken sah Annie wieder Peter
Maitland unter dem Galgen stehen und beobachtete, wie er durch die Falltür stürzte.
Es war nur allzu leicht, sich vorzustellen, daß Rafael das gleiche Schicksal
traf.
Sie schob ihren Stuhl zurück, ohne
ihr Essen zu berühren, und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. »O Gott,
Kathleen, was soll ich bloß tun?«
Kathleens Antwort klang sehr
entschieden. »Sie müssen dem Prinzen sagen, daß Sie ein Kind erwarten. Ich
weiß, daß Sie den richtigen Moment abwarten wollten, Miss, aber Tatsache ist
doch, daß dieser Moment vielleicht niemals kommen wird.«
Annie erhob sich langsam und nickte.
»Ja«, murmelte sie. »Ich werde es ihm sagen. Jetzt sofort.«
»Gott sei mit Ihnen«, meinte
Kathleen liebevoll.
Nachdem Annie erfolglos im Inneren
der Burg gesucht hatte, ging sie auf den Hof hinaus und entdeckte Rafael auf
dem Wehrgang. Noch immer in Hemd und Hosen, stieg sie auf müden Beinen die
steinerne Treppe hinauf und ging über den überdachten Gang, bis sie an Rafaels
Seite stand.
»Hat mein Schiff schon abgelegt?«
fragte sie.
Er lächelte ein wenig bitter. »Ja.
Aber ich habe noch nicht die Hoffnung aufgegeben, daß dein Vater erscheinen und
dich von hier fortbringen wird.«
»Du dürftest mehr von Patrick
Trevarren zu befürchten haben als von den Rebellen«, gab Annie mit zitternder
Stimme zu bedenken. »Er wird verlangen, daß du die Ehre seiner Tochter wiederherstellst.«
Erst auf diese Worte hin wandte
Rafael ihr das Gesicht zu, um sie anzuschauen. »Ich hege keinen Zweifel daran,
daß Patrick sehr wütend sein wird, wenn er erfährt, daß ich seine kostbare
Tochter entjungfert habe. Laß uns hoffen — dir zuliebe —, daß er mich eher
erwischt als meine eigenen Landsleute.«
Annie biß sich auf die Lippen. »Ich
habe Gerüchte gehört, daß die Rebellen sich bereits innerhalb der Burgmauern
befinden«, sagte sie dann leise.
Rafael nickte. »Daran besteht kein
Zweifel.«
»Und Lucian ...«
Der Prinz hob eine Hand. »Ich weiß,
daß mein Bruder ein Judas ist. Erspar mir bitte, es noch einmal zu hören.«
Ein weiteres Hinauszögern dessen,
was sie ihm zu sagen hatte, war nicht mehr möglich, und es zerbrach sie fast,
Rafael solch unter anderen Umständen wundervolle Nachrichten auf derart
abrupte Weise beibringen zu müssen. Sie hielt für einen Moment den Atem an, wie
ein Schwimmer, bevor er sich in eiskaltes Wasser stürzt, dann sagte sie. »Ich
erwarte ein Kind.«
Im ersten Augenblick sah Rafael aus,
als hätte Annie versucht, ihn vom Wehrgang in die Tiefe hinabzustoßen. Er
schwieg eine unerträglich lange Zeit, und für Annie hörte die Welt auf, sich zu
drehen, hörten die Sterne auf zu funkeln, und Sonne und Mond zerfielen zu
Staub.
»Du mußt dich irren«, murmelte er
schließlich.
Annie schüttelte den Kopf.
»Diese Ohnmachtsanfälle ...?«
Sie nickte. »Und andere Dinge. Es
ist wahr, Rafael. Wie wirst du dich jetzt verhalten? Was beabsichtigst du zu
tun?«
Rafaels Antwort verblüffte sie über
alle Maßen. »Ich werde dich heiraten«, sagte er, nahm ihre Hand und zog sie auf
die Treppe zu. »Such den Priester und schick ihn in die Kapelle«, rief er einem
Soldaten in einiger Entfernung vor ihnen zu. Dann wandte er sich um und schaute
Annie in die Augen. »Wenigstens hast du ein anständiges Kleid für die Trauung,
und Wein und Kuchen sind auch genug da, falls die Gäste nicht bereits alles
verspeist haben.«
»Rafael ...«
Doch er zog sie bereits die Treppe
hinunter. »Ich will keinen Widerspruch hören«, rief er ihr über die Schulter
zu. »Mein Kind wird einen Namen haben, wenn auch keinen Vater.«
Annie hielt abrupt in ihren
Schritten inne und ließ sich nicht weiterziehen. »Was soll das heißen, wenn
auch keinen Vater?«
Rafael zerrte sie weiter. »Darüber
reden wir
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