Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
rauher
Armeekleidung vorstellte und daran dachte, daß er die Nächte auf dem harten
Boden verbringen würde, wie alle anderen auch.
Annie hatte an diesem Morgen eine zweite
Anprobe überstanden und dann eine dritte, und wie schon am Tag zuvor erschien
auch heute der Prinz auf dem Balkon.
Annies Herz schlug bei seinem
Anblick schneller, und ihr erster Impuls war, den Blick zu senken, aber dann
behielt ihre angeborene Sturheit die Oberhand, und sie erwiderte seinen Blick.
Es war ihr alles ernst gewesen, was sie ihm am Abend zuvor gesagt hatte, und
daher wäre es lächerlich, jetzt so zu tun, als ob nichts vorgefallen wäre.
Rafael wartete still, während Miss
Rendennon, die seine Anwesenheit diesmal nicht bemerkt hatte, ihr endloses
Ritual beendete. Doch selbst als die Schneiderin gegangen war, schwieg Rafael.
Nur mit Hemd, Hosen und Strümpfen
bekleidet, war Annie sich Rafaels Blick fast qualvoll intensiv bewußt, doch sie
verspürte auch so etwas wie Triumph — denn selbst aus der Ferne konnte sie sein
Verlangen spüren. Indem sie dem mädchenhaften Bedürfnis, sich hastig zu
bedecken, widerstand, zog Annie bewußt langsam ihre rosa Bluse und den
schwarzen Satinrock an.
Als Rafael keine Anstalten machte,
die Stufen zu ihr herabzukommen, stieg Annie mit klopfendem Herzen zu ihm
hinauf und blieb vor ihm stehen.
Sein Blick ruhte unverwandt auf dem
Stockwerk unter ihnen; sein kräftiger Körper strahlte Anspannung und Unruhe
aus. An seiner Wange zuckte ein Muskel.
Annie zögerte, trat einen Schritt
näher und legte die Hand auf seinen Arm. Selbst durch den Stoff seines Hemds
konnte sie die Hitze seiner Haut spüren und daß er sich plötzlich verspannte.
Zuerst wollte er sich ihr entziehen, doch dann hielt er inne und wandte den
Kopf zu ihr um.
Sie sah Arger in seinen Augen und
unendliche Trauer, und beide waren sich der Sehnsucht zwischen ihnen überdeutlich
bewußt.
»Ich kam, um mich zu verabschieden«,
sagte er nach langem, spannungsgeladenem Schweigen.
Annie hatte Vorwürfe erwartet,
Widerspruch oder sogar Zorn — alles außer diesen stillen, gleichmütigen
Abschiedsworten. Zu erschüttert, um zu sprechen, nahm sie ihre Hand von
Rafaels Arm.
Rafael berührte ihr Haar, aber es
war eine eher unwillige Geste, und er zog die Hand auch rasch zurück. »Ich
werde eine Woche bis zehn Tage unterwegs sein«, sagte er. »In der Zwischenzeit
werden Soldaten dich, Phaedra und Felicia zum Palast nach Morovia begleiten,
damit ihr euch auf den Hochzeitsball vorbereiten könnt. Während dieser Zeit
möchte ich, daß du dir sämtliche romantischen Ideen über mich aus dem Kopf
schlägst.«
Indem Annie sich auf die Lippen biß,
das Kinn vorschob und sich trotzigen Gedanken hingab, gelang es ihr, die drohenden Tränen zurückzudrängen.
»Liebst du Miss Coving ton?« fragte sie, denn das wäre das einzige gewesen, was
sie von ihrem Kurs hätte abbringen können. Sie hätte sich nicht eingemischt,
wenn Rafael sein Herz einer anderen Frau geschenkt hätte.
Er zögerte, gerade lange genug, und
als er seine herrlichen silbergrauen Augen einen Moment von ihr abwandte,
erkannte Annie die Wahrheit.
»Angenommen, es wäre so?« entgegnete
er ausweichend. Annie verschränkte die Arme und lächelte abwartend.
»Na schön«, erklärte Rafael hart.
»Ich liebe sie! Bist du jetzt zufrieden?«
»Begeistert«, erwiderte Annie. »Aber du lügst.«
Fluchend umfaßte er ihr Kinn - auch
wieder eine eher unwillige Geste - und senkte den Kopf, um sie zu küssen. Der
Kontakt mit seinen Lippen war zunächst nur zart, doch innerhalb von Sekunden
verwandelte er sich in einen tiefen, stürmischen Kuß, der sie bis in ihre Seele
erschütterte.
Sie wurde in eine andere Welt
versetzt, fühlte sich erobert, verzaubert und verängstigt, und als Rafael
endlich seine Lippen von ihren löste, sank sie kraftlos an seine Schulter.
Er stieß einen unterdrückten Fluch
aus, als er sie in die Arme nahm, aber er tat es wenigstens, und Annie lächelte
verstohlen. Rafael gehörte weder Felicia noch irgendeiner anderen Frau; sie
hatte es an seinem Blick gesehen, als er versucht hatte zu lügen, und auch
sein Kuß hatte es ihr verraten. Er begehrte sie, Annie, und obwohl er
ungeheuer stur war, würde er nicht viel länger seiner eigenen Natur zuwider
handeln können.
Als hätte er ihre Gedanken erraten,
packte Rafael Annie an den Schultern und schob sie ein wenig von sich ab, um
sie anzusehen. Er schüttelte sie sogar leicht, aber sie spürte, daß er
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