Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
kläglich und wandte kurz den Blick ab, bevor sie
fortfuhr. »Heute abend habe ich dir gesagt, daß ich dich liebe und dazu
bestimmt bin, an deiner Seite zu sein. Doch von all diesen Dingen hätte ich
nicht sprechen dürfen — obwohl ich weiß, daß sie die
reine Wahrheit sind.«
Rafael schwieg sehr lange, um dann
einen heiseren Ton auszustoßen, der fast wie ein gequältes Stöhnen klang. »O
Gott, Annie, du hast nicht die geringste Ahnung, was du mir — und dir selbst —
antust. Du kannst es gar nicht wissen, denn sonst wärst du nicht so töricht
oder grausam!« Annies Augen weiteten sich bei seinen Worten, aber sie rührte
sich nicht und sagte nichts. Nicht einmal, als er sein Glas auf dem Kaminsims
absetzte, den Raum durchquerte und so dicht vor ihr stehenblieb, daß sie seine
innere Qual deutlich auf seinem Gesicht ablesen konnte.
»Was ich dir gestern nacht gesagt
habe, stimmte, Annie«, sagte er eindringlich, während er ihr Kinn umfaßte. »Ich
kann dir nichts bieten — nichts außer Leid!«
Sie wußte, daß es unklug war, und
konnte dennoch nicht umhin, ihre Hände auf seine Schultern zu legen und sie
dort ruhen zu lassen. »Das ist nicht wahr«, erwiderte sie weich.
»Du hast mir bereits unendlich viel
Freude geschenkt.« Er ließ ihr Kinn los, und sie richtete sich auf die
Zehenspitzen auf, um ihn sanft auf den Mund zu küssen. »Du machst dir solche
Sorgen um das, was du mir nicht geben kannst, Rafael. Aber was ist mit
den Dingen, die ich dir geben kann?«
Er schloß die Augen und legte die
Stirn an ihre. »O Annie«, flüsterte er, »bitte nicht. Tu es nicht. Uns beiden
zuliebe ...«
»Uns beiden zuliebe?« neckte Annie
zärtlich, während sie sein Gesicht zwischen beiden Händen hielt und seine
Wangen mit den Daumen streichelte. »Wer weiß, ob wir nicht beide schon morgen
sterben werden oder nächste Woche. Und dann wird all dieser Edelmut, all dieser
Verzicht umsonst gewesen sein. Glück kann so flüchtig sein wie Rauch oder
Glühwürmchen in einer Sommernacht. Wenn wir es gefunden haben, wie vergänglich
es auch sein mag, sollten wir es dann nicht nutzen? Es in unseren Händen und in
unseren Herzen bewahren, solange es uns möglich ist?«
»Annie«, flüsterte er noch einmal.
Sie küßte ihn zärtlich. »Gute Nacht,
mein Liebling«, wisperte sie, bevor sie sich zum Gehen wandte.
Rafaels Hand schloß sich um ihre,
als sie die Türklinke berührte. »Bleib«, bat er.
Dreizehn
Bleib. Annie drehte sich um und schaute Rafael in die Augen,
die sich von ihrem normalen hellen Silberton zu einem rauchigen Grau
verdunkelt hatten. »Bist du sicher, daß du das willst?« fragte sie.
Rafaels Kehle war wie ausgetrocknet.
Er stand so dicht bei Annie, daß sie die Hitze, Härte und beherrschte Macht
seines Körpers spürte.
»Möge Gott mir beistehen«, antwortete
er mit einer Stimme, die so rauh war wie trockener, poröser Stein, »aber so ist
es.«
»Und was ist mit deinem Ehrgefühl
...«
»Ich pfeife auf mein
verdammtes Ehrgefühl«, krächzte er. »Ich bin längst darüber hinaus, siehst du
das nicht? Mein Verlangen nach dir ist größer als alles andere.«
»Aber du liebst mich nicht«, sagte
sie.
»Meine Liebe zu gewinnen bedeutet,
verflucht zu sein«, murmelte Rafael stirnrunzelnd, den Mund so dicht an Annies,
daß ihre Lippen in Erwartung seines Kusses prickelten. »Es ist erheblich besser
— und sicherer —, zu meinen Feinden gezählt zu werden ...«
Annie sank mit einem tiefen Seufzer
gegen das harte Holz der Tür, als Rafaels Mund ihre Lippen in Besitz nahm.
Obwohl sie nicht in sein
Schlafzimmer gekommen war, um ihn zu verführen, war sie auf schamlose Weise
froh zu wissen, daß sie seinen Widerstand gebrochen hatte.
Der Kuß dauerte endlos lange, und in
dieser Zeit schienen Annies Knochen dahinzuschmelzen, und eine unglaubliche
Süße erfüllte ihren ganzen Körper.
Schließlich hob Rafael den Kopf und
schaute ihr in die Augen. Sie war noch immer gefangen in seinen starken Armen
und hegte auch nicht den Wunsch, daraus befreit zu werden.
»Geh jetzt, falls du dich schüchtern
fühlst, denn wenn du bleibst, werde ich dich verführen. Und ich werde mir Zeit
dafür nehmen, wie schon zuvor.«
Ein Schauer lief über ihren Körper,
denn was sie in Rafaels Armen empfunden hatte, war unvorstellbar und manchmal
sogar erschreckend schön gewesen. Wieder und wieder hatte er ihre Leidenschaft
angefacht, bis sie ihre Seele von ihrem Körper zu trennen schien, und in den
Momenten
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