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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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losgerannt und hat schon wieder ein Licht aufgestellt, gleich nachdem sie ihren Zehneuroschein durch den Münzschlitz neben den Kerzen gezwängt hatte, obwohl da ausdrücklich draufsteht, dass die Dinger bloß fünfzig Cent kosten. Aber mit »denen da oben«, wie sie die ganze Bande immer genannt hat, ist man eben großzügig!
    Früher, als ich noch Ministrant war (oh ja, Mann, solche Zeiten hat’s auch gegeben!), habe ich beim Leeren des Klingelbeutels mal einen Knopf gefunden, so einen vernickelten, wie sie an Jeans sind. Das fand ich damals total abgefahren. Dass jemand sich traut, »die da oben« derart offensichtlich zu bescheißen. Ich meine, ein paar Escudo oder irgend so ’ne mickrige Münze aus Osteuropa hatten wir schon öfter mal dazwischen, aber das ist ja immerhin Geld, wenn auch kein besonders brauchbares. Aber ein Knopf? Das fand ich voll krass!
    Aber noch mal zu Devils Rat mit den Kopfschüssen: Abgesehen vom Schicksalsfaktor fände ich es voll öde, immer auf dieselbe Stelle zu feuern. In meiner Counterstrike-Phase, okay, da habe ich meinen Gegnern auch schon ganz gerne mal das Hirn weggeballert, aber das morgen, das ist nun mal kein verdammtes Computerspiel! Oder eine von diesen Schießbuden auf der Kirmes, wo du ein Gewehr in die Hand gedrückt kriegst, und an der Rückwand läuft so ein Band mit bunten Bildchen im Kreis. Lauter Hasen oder Enten oder so was aus Pappe, die im ewig gleichen Tempo vor deinen Augen vorbeiziehen. Das fand ich schon immer total öde.
    Wahrscheinlich bin ich deshalb gleich am ersten Tag raus in den Wald, als ich damals das Luftgewehr bekommen habe. Tiere, richtige meine ich, wilde, paradieren nicht in einer Reihe vor dir auf und ab, um darauf zu warten, dass du sie abknallst. Sie schlagen Haken und springen, und manchmal kommen sie dir sogar entgegen, und das sind dann die Situationen, in denen du dich echt beweisen musst. Die unerwarteten Konfrontationen, die die Sache überhaupt erst interessant machen. Erdlöcher, in denen so ein Vieh verschwindet, wenn du es beinahe hast, und du siehst es nie wieder … Ja, Mann, der Reiz liegt definitiv in dem, womit du nicht rechnest!
    Und damit wären wir also schon wieder beim Schicksal …
    Im Grunde fängt es schon bei der Frage an, wie lange die gesamte Operation wohl dauern wird. Bei der Probe habe ich neun Minuten gestoppt, aber das war mitten in der Nacht, also nicht gerade unter authentischen Bedingungen. Ja, Mann, darüber muss ich mir absolut im Klaren sein. Dass morgen neben vielem anderen noch ein neuer Faktor hinzukommt. Der Schicksalsfaktor eben. Oder was man so Zufall nennt.
    Aber genau das macht es ja so geil. Dass man das Ende nicht voraussehen kann. Dass so was wie ein Restrisiko bleibt. Etwas, das sich deiner Kontrolle entzieht. Oder, wie meine Oma sagen würde, eine kleine Kraftprobe mit »denen da oben«. Und wahrscheinlich ist genau das auch der Grund, warum so viele, die ähnlich denken wie ich, nicht übers Theoretisieren hinauskommen. Sie haben ganz einfach Schiss!
    Selbst so ein Totalperversling wie Devil hat Schiss!
    Aber ICH nicht!!!!
    Ich habe geplant, was planbar ist, und mit dem Rest werde ich auch fertig.
    Ich weiß, wer wann wo sitzt. Wer immer zur selben Zeit wo pissen geht. Wer mit wem diskutiert, streitet, knutscht, was auch immer.
    Ich weiß ALLES.
    Und ich war definitiv lange genug der Arsch, auf dem sie alle rumgetrampelt sind.
    Aber morgen ist der Tag der Abrechnung gekommen, Zahltag sozusagen.
    Zuerst kommt der Scherer an die Reihe, dieser perverse alte Bock. Um die Naumann tut’s mir fast leid, die hat mir mal Geld für den Bus gegeben, als ich meine Monatskarte vergessen hatte, und dann wollte sie’s noch nicht mal wiederhaben. Aber leider hat sie ihre Freistunde genau zur selben Zeit wie die Ringstorff, und wenn ich die Naumann am Leben lasse, wird die Sache wahrscheinlich nicht wasserdicht genug, selbst wenn man mich natürlich nicht erkennt in voller Montur. Aber es darf trotzdem nicht zu sehr nach Mache aussehen, immerhin handeln echte Amokläufer ja nur bis zu einem gewissen Grad planmäßig, Todeslisten hin oder her. Während der Tat ist nämlich die Impulskontrolle ausgeschaltet, und sie kriegen diesen Tunnelblick, der ihnen keinen Raum lässt für Mitleid oder Ausnahmen.
    Und deshalb wird leider auch die gute Frau Naumann dran glauben müssen. Die fällt dann sozusagen in die Kategorie »Kollateralschäden«.
    Also noch mal: Scherer, Naumann und dann die Ringstorff …
    Ja,

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