Quest
würde.
Seine Haut war seltsam. Zuerst hatte sie sich rauh angefühlt, doch dann hatte sie genauer hingesehen und festgestellt, da ss sie zahllose kleine Narben aufwies, als habe er Schnittverletzungen davongetragen, die später fast, aber nicht ganz verheilt waren, und das immer und immer wieder, mehrfach übereinander und an jeder Stelle seines Körpers.
»Was ist mit Eurer Haut geschehen?« fragte sie und fuhr tastend die Stelle zwischen seinen Schulterblättern entlang. Hier war es besonders deutlich zu sehen und zu spüren. Das blutige Ritual eines unbekannten Geheimbundes? »Sind das Narben?«
Er räusperte sich. »Zum grö ss ten Teil, ja.«
»Woher stammen sie?«
Smeeth stie ss einen Laut aus, der wie ein unfrohes Lachen klang. »Von überall her.« Er drehte sich um und sah ihr direkt in die Augen. »Sagen wir einfach, das Leben hat mich gezeichnet.«
»Das Leben?« Irgend etwas im Ausdruck dieser Augen irritierte sie.
»Das Leben, ja. Das Leben verletzt einen. Es lauert auf jeden, um ihn zu verletzen. Habt Ihr Euch das noch nie überlegt?«
»Nun, wenn, dann habe ich das nicht wortwörtlich verstanden.« Wie kam sie dazu, so mit ihm zu reden? Bilder tauchten in ihr auf, vergraben geglaubte Erinnerungen, der Tod ihres Vaters, der düstere Landsitz der Salzner, ihr totgeborenes Kind, und wie Jugoveno sich abwandte und die Tür hinter ihm zufiel… »Man erlebt vieles, das Narben in der Seele zurücklä ss t.
Aber die sieht man nicht.«
»Manchmal sind es Narben in der Seele. Manchmal sind es Narben im Fleisch. Man kann es sich nicht aussuchen.« Er drehte sich wieder nach vorn, und Vileena hatte den Eindruck, da ss er nicht weiter darüber sprechen wollte. »Was ergibt Eure Untersuchung? Bin ich gesund, oder bin ich es nicht?«
Vileena holte Luft, verscheuchte die Schmerzen ihrer eigenen Narben. »Ja«, sagte sie. »Ja, ihr seid gesund. Ihr habt den Kälteschlaf bemerkenswert gut überstanden.«
Er schien leise in sich hineinzulachen. »Findet Ihr? Nun ja.
Ich habe Euch ja gleich gesagt, da ss ich gesund bin.«
Das klang reichlich eingebildet, fand Vileena. »Ihr werdet verstehen, da ss ich mir diesbezüglich stets mein eigenes Urteil bilden mu ss .«
»Sicher. Kann ich mich jetzt wieder anziehen?«
»Ja.« Sie sah ihm dabei zu, die Arme verschränkt, den Hörstab noch in der Hand, gegen den Heilmitteltisch gelehnt. Er bot einen bemerkenswerten Anblick, fand sie, einfach nur wie er dastand, sein Hemd überstreifte und zuknöpfte. In seinen Bewegungen lag eine eigenartige Gelassenheit, wie Vileena sie bisher selten gesehen hatte, und wenn, dann bei nur bei wesentlich älteren Menschen. Smeeth machte den Eindruck eines Mannes, der sich von nichts und niemand hetzen lie ss .
»Was geschieht nun mit mir?« wollte er wissen. »Eftalan Quest, der Kommandant, will Euch sprechen. Er wird entscheiden, was zu geschehen hat.«
Quest erwartete sie im Besprechungsraum, die fleischige Pranke auf den gro ss en, spiegelnden Tisch gestützt, die Augen kaum zu erkennen in seinem aufgedunsenen Gesicht. Vileena musterte den Kommandanten aufmerksam. Die Schwellungen kamen von dem Sud Blau, von dem sie gerade viel geben mu ss te, zuviel eigentlich. Aber davon abgesehen schien sein Zustand stabil.
»Setzt Euch«, begrü ss te er den Überlebenden aus dem geborgenen Wrack.
Smeeth setzte sich, und Vileena tat es ihm gleich. »Euer Name ist Smeeth?«
»Ja, Erhabener Kommandant«, kam die Antwort. Dafür, da ss er der Republik entstammte, hatte er die Grundregeln des Zeremoniells rasch begriffen. »Woher stammt Ihr?«
Smeeth hob die Augenbrauen. »Ich fürchte, der Name der Welt, von der ich stamme, wird Euch nicht viel sagen…«
»Im Grunde interessiert es mich auch nicht«, unterbrach Quest ihn. »Also lassen wir das. Was mich beschäftigt, ist die Frage, was mit Euch geschehen soll. Wir befinden uns auf einer Mission, die keine Unterbrechung duldet. Ihr werdet uns also begleiten.«
»Ich habe es nicht eilig«, sagte Smeeth, und es klang, als meine er das ganz genau so. »Darf ich fragen, welches Ziel besagte Mission hat?«
»Das dürfen Sie fragen, aber Sie werden keine Antwort darauf erhalten.«
»Ich verstehe.«
Quest tippte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Eine andere Frage ist die Eures Standes. Das Zeremoniell des Hofes hat keine Regelung vorgesehen für den Fall, da ss jemand aus dunkler Vergangenheit auftaucht, natürlich nicht, wir sind also gezwungen, herauszufinden, welc he Regelung Eurem
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