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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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schwanger mit einem Bastard von d’Arcachon. Damit ist sie jetzt ein Mitglied der großen königlichen Familie, deren Patriarch Eure Majestät ist. Da das Ganze nun zu einer Familienangelegenheit wird, werde ich mich jeder weiteren Einmischung enthalten, sofern Eure Majestät mir nicht andere Anweisungen erteilen.
Ich habe die Ehre, Eurer Majestät
untertänigster und gehorsamster Diener zu sein,
Bonaventure Rossignol

Sheerness, England
    11. DEZEMBER 1688
Da entfärbet sich der König, und seine Gedancken erschreckten ihn das ihm die Lenden schutterten und die Beine zitterten.
Daniel 5,6
    An jedem anderen Tag hatte Daniel mit allen anderen am Hofe von St. James nicht das Geringste gemeinsam. Ebendies war der Grund, warum man ihm gestattete, sich dort aufzuhalten. Heute allerdings hatte er zweierlei mit ihnen gemeinsam. Erstens, dass er den größten Teil der vergangenen Nacht damit verbracht hatte, in Kent herumzustiefeln, um dahinter zu kommen, wo der König abgeblieben war. Und zweitens, dass er unbedingt einen Halben brauchte.
    Er fand sich auf einem von Booten übersäten Watt wieder und stieß nahebei auf eine Schänke, die er betrat. Das Einzige, was er in dem Lokal suchte, war besagter Halber und vielleicht eine Wurst. Außerdem aber fand er dort James (von Gottes Gnaden König von England, Schottland, Irland und gelegentlich dem einen oder anderen Stückchen von Frankreich) Stuart, der gerade von ein paar betrunkenen englischen Fischern verprügelt wurde. Es war genau die Art von schwerer Entwürdigung, die absolute Monarchen um jeden Preis zu vermeiden trachteten. Unter normalen Umständen griffen Prozeduren und Schutzmaßnahmen, die dergleichen verhinderten. Man konnte sich vielleicht vorstellen, wie einer der alten Könige von England, etwa Sven Forkbeard oder Ealhmund, der Unterkönig von Kent, irgendwo in ein Wirtshaus spazierte und die Fäuste fliegen ließ. Aber während der großen Ritterlichkeitswelle von vor fünfhundert Jahren waren Kneipenkeilereien von der Liste der Dinge gestrichen worden, die Prinzen beherrschen mussten. Und das sah man: König James II. blutete aus der Nase. Gerechterweise musste man allerdings sagen, dass er das schon seit Wochen auf geradezu monumentale Weise tat. So wie frühere Generationen von Richard Löwenherz’ Sträußen mit Saladin vor Jerusalem sangen, so würden künftige von James Stuarts Nasenbluten singen.
    Es war, kurzum, kein Szenario, das die Verfasser der Benimmbücher, die Daniel gelesen hatte, als er die Höflingslaufbahn einschlug, je bedacht hätten. Wie er den König auf einem Maskenball im Banqueting House oder auf einer Jagd in einem königlichen Wildpark anzureden hatte, hätte er gewusst. Doch wenn es darum ging, eine königliche Kneipenschlägerei in einer Hafenkneipe an der Mündung des Medway zu beenden, war er ratlos und konnte sich daher nur besagten Halben bestellen und seinen nächsten Schachzug überlegen.
    Seine Majestät hielt sich überraschend wacker. Natürlich hatte der König an Schlachten zu Lande und zu Wasser teilgenommen; niemand hatte ihm je vorgeworfen, er sei ein Schlappschwanz. Und bei der Auseinandersetzung handelte es sich im Grunde eher um ein Ohrfeigen- und Maulschellen-Austeilen: nicht so sehr eine Prügelei als vielmehr eine improvisierte Volksbelustigung von Männern und für Männer, die nur selten ins Kasperletheater fanden. Die Schänke war sehr alt und halb in den Uferschlamm eingesunken, und die Decke war dem Boden so nahe, dass die Fischer kaum Platz hatten, richtig auszuholen. Es gab ganze Hagel von Schlägen, die den König komplett verfehlten. Die Hiebe, die dann doch trafen, waren als wilde Schwinger geschlagene Backpfeifen. Alles würde sich ändern, das spürte Daniel, wenn der König nur aufhörte zurückzuzucken, etwas Komisches sagte und eine Lokalrunde ausgäbe. Aber wenn er ein König von diesem Schlag wäre, wäre er erst gar nicht hier gelandet.
    Jedenfalls war Daniel ungeheuer erleichtert darüber, dass es keine ernsthafte Prügelei war. Sonst wäre er nämlich gezwungen gewesen, den an seinem Gürtel hängenden Degen zu ziehen, mit dessen Benutzung er sich überhaupt nicht auskannte. König James II. hingegen wüsste ihn höchstwahrscheinlich zu gebrauchen. Während Daniel die Oberlippe in die Schaumkrone auf seinem Halben tauchte, gab er sich einen Moment lang der Phantasie hin, er würde die Waffe von seinem Gürtel lösen und sie quer durch den Schankraum dem Souverän zuwerfen, der sie aus

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