Rache - 01 - Im Herzen die Rache
Stimme klang leise, aber bestimmt. Em fiel auf, dass sie Drea Feiffer noch nie ängstlich gesehen hatte, nicht einmal damals in der fünften Klasse, als Carey Wallace drohte, sie zu vermöbeln, weil sie so abgedreht war.
»Was?« Em schluckte die plötzliche Trockenheit in ihrem Hals hinunter.
»Die tauchen nicht einfach so auf. Was hast du getan? Wofür hast du die Blume bekommen?«
Em war so verdutzt über die Fragen, dass sie nicht gleich in der Lage war zu antworten. Es gefiel ihr nicht, wie Drea sie anstarrte. Hatte sie etwa irgendwas in der Schule gehört? Wie war es möglich, dass Drea Feiffer etwas über ihr Leben wusste? »Ich … ich hab gar nichts getan.«
Drea schürzte die Lippen, legte den Kopf zur Seite und sah Em eindringlich an. Dann schüttelte sie den Kopf, als hätte sie eine Entscheidung getroffen. »Es bringt nichts, mir was vorzumachen, Em. Wenn du reden willst, komm zu mir.« Damit begann sie, in ihrem Handschuhfach zu wühlen. »In der Zwischenzeit«, sagte sie und tauchte mit einem kleinen Gegenstand in der Hand wieder aus ihrem Wagen auf, »wird dir das vielleicht helfen.«
Sie nahm Ems Hand und schloss ihre Finger um einen goldenen Schlangenanhänger – eine Miniaturausgabe von dem, den Drea schon seit Jahren um den Hals trug. Dann forderte sie Em mit einer Kopfbewegung auf, ins Auto zu steigen. Em blickte sie an und wartete auf weitere Erklärungen, doch Drea schwieg. Abgesehen von der hämmernden Musik aus den Lautsprecherboxen, fuhren sie schweigend nach Hause.
»Danke fürs Bringen«, sagte Em ein wenig verlegen, als sie in ihre Einfahrt einbogen. Sie würde jetzt ganz sicher nicht ins Haus gehen – es war viel zu dunkel da drin, um allein zu sein, und sie wusste ja, dass JD auf der anderen Seite des Gartens auf sie wartete.
»Nichts zu danken.« Dreas Blick bohrte sich im Schein der vom Bewegungsmelder gesteuerten Außenlampen in ihre Augen. »Denk daran. Komm zu mir, wenn du reden willst. Ich kann dir vielleicht helfen.«
Em antwortete nicht und stieg aus.
JD war völlig aufgelöst, als er die Tür öffnete. Seine Haare standen in alle Richtungen kreuz und quer vom Kopf ab, so als hätte er einen Stromschlag bekommen. »Was ist passiert? Wieso hast du so lange gebraucht? Alles in Ordnung mit dir?«
Em antwortete in scharfem Flüsterton: »Sind deine Eltern zu Hause?«
»Ja, sind sie. Im Ernst, Em, was ist los?«
»Was machen sie gerade?« Sie drängte sich an ihm vorbei und senkte die Stimme zu einem Raunen. Sie hatte keine Lust, sich heute Abend mit Mr und Mrs Fount und ihren unvermeidlichen Fragen nach der Schule und den Collegetestvorbereitungen auseinanderzusetzen.
JD zog eine Augenbraue hoch. »Sie sind oben und gucken einen Bericht über Blauwale«, raunte er scherzhaft zurück. »Willst du mir jetzt vielleicht mal erzählen, was los ist?« Er zog an seinem Pulli und sah sie über den Rand seiner Brille an. »Du hast dich am Telefon total durchgedreht angehört.«
»Ich glaub, ich dreh auch bald durch«, erwiderte Em und zog ihn Richtung Kellertür. Sie wollte in das Fernsehzimmer mit dem verschlissenen Sofa, das JD seine Therapeuten-Couch nannte. Auf dem Weg nach unten redete sie ununterbrochen weiter. »Meine Bremsen sind im Eimer. Drea Feiffer hat mir das Leben gerettet. Ich glaube, jemand verfolgt mich. Ich glaube, es ist ein Geist, der mich verfolgt.« Die Sätze schossen in wildem Stakkato aus ihr heraus, erst am unteren Treppenabsatz hörte sie auf zu quasseln.
Ihr blieb förmlich die Spucke weg, als sie sah, was JD vorbereitet hatte: einen Teller selbst gemachte Nachos, zwei Cupcakes und eine kleine Kissenburg auf »ihrer« Seite der Couch.
»JD … das ist ja so lieb.«
»Na ja, weißt du, ich hab wirklich gedacht, die liefern dich bald ein. Ich hab mir echt Sorgen gemacht.« Er zuckte mit den Schultern und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Dann duckte er sich unter einem niedrigen Deckenbalken hinweg und kam zur Couch herüber.
Em sank darauf zusammen, atmete ihren vertrauten Geruch ein und spürte die knubbeligen Flusen auf den Unterarmen.
»Dieses Sofa ist dermaßen unbequem«, sagte sie und zog an einem der kleinen Wollknötchen.
»Ob die Geister dir da wohl zustimmen würden?« JD blickte sie mit einem spöttischen Grinsen an. »Was würdest du sagen?«
»JD, hör zu. Kann ich dir was anvertrauen?« Sie versuchte, einen Bissen von ihrem Cupcake zu nehmen, schaffte es jedoch nicht.
»Klar.« Er hatte sich noch nicht ganz
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