Rache - 01 - Im Herzen die Rache
Star-Quarterback von Ascension eine Schwuchtel ist.«
»Ihr habt überhaupt keine Ahnung, wovon ihr da redet«, antwortete Chase matt.
»Doch, Singer, haben wir. Für was hältst du dich eigentlich, für ein Calvin-Klein-Model?« Wagner wirkte ziemlich selbstzufrieden.
»Hübsche Gedichte«, murmelte Barton. »Was ist es denn, was du vor lauter Angst nicht aussprechen kannst? Dass du eigentlich schwul bist?«
Den Klang von Emilys Gedichtzeile im Kopf – so manche Wahrheit lässt sich einfach nicht aussprechen –, drehte Chase sich auf dem Absatz um und stolperte hinaus in den Korridor, der ihm heiß, eng und überfüllt vorkam. Es war wie in einem Horrorfilm, in dem er genau sah, was schieflief, aber nichts dagegen tun konnte.
Es gab nur einen Ort, wohin er gehen konnte – die alte Turnhalle; ein verschwitzt riechendes Gebäude unten neben dem Lehrerparkplatz. Vor drei Jahren hatten sie einen Neubau bekommen und die alte Halle wurde jetzt nur noch bei Regenwetter genutzt, wenn mehrere Teams gleichzeitig drinnen trainieren mussten. Wenn es draußen zu kalt war, um sich vor den kaputten Zaun bei den Tennisplätzen zu hocken, versteckten sich manchmal ein paar Raucher in den alten Umkleideräumen. Früher oder später würde die Turnhalle entweder renoviert oder abgerissen werden, doch jetzt bot sie genau den verlassenen Zufluchtsort, den Chase in diesem Moment suchte.
Er stürzte zur Tür hinein, völlig aufgewühlt und wie benommen. Das hätte nicht passieren dürfen. Nicht ihm. Er war viel zu vorsichtig, um so einen Mist passieren zu lassen … Aber er war nicht vorsichtig genug gewesen. Nicht bei Ty.
Er nahm ein paar tiefe Atemzüge der staubigen Luft und hustete den Geruch von Rauch, Gummimatten und gebohnertem Fußboden aus. Sein Husten hallte in dem leeren Raum, doch da war außerdem noch ein anderes Geräusch. Ein Schniefen, ein Schluchzen.
Chase blickte sich um. Da, in der obersten Ecke der Tribüne, mit den Schultern an einem alten Meisterschaftsbanner entlangstreifend, war Em. Sie starrte ihn an, putzte sich die Nase und strich sich mit der Hand das zerzauste Haar glatt. Sie trug nur ein Tanktop, unter dem die Träger ihres BHs hervorschauten.
»Was machst du hier?«, rief sie quer durch die riesige Halle, in der ihre Stimme ganz dünn klang.
»Das könnte ich dich auch fragen«, antwortete Chase, der noch immer im Türrahmen stand.
Im Krebsgang bewegte sie sich einige Reihen auf der Tribüne nach unten. Chase ging ein paar Schritte auf sie zu.
»Gott, ist das kalt hier«, sagte er und rieb sich die Arme. Sie antwortete nicht gleich und drückendes Schweigen legte sich zwischen sie. Er spürte den Drang, etwas zu sagen, die Leere auszufüllen, alles mit Worten auszulöschen, was für ihn so schiefgegangen war. Er ging ein bisschen näher zu ihr hin. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und sah dann wieder unter sich. »Weißt du noch, wie heiß es hier immer bei unseren Versammlungen geworden ist?«
Em nickte. Ihr Gesicht war ganz rot.
»Die eine, in der neunten Klasse, als Gabby für den Posten als stellvertretende Schulsprecherin kandidiert hat –« Noch bevor er seinen Gedanken beenden konnte, sackte Em nach vorn und fing an zu zittern.
Oh Mann! Jetzt hatte er sie zum Heulen gebracht. Chase blieb einen Moment still stehen und blinzelte in das Licht, das durch die verstaubten Fenster unterhalb des Turnhallendachs schimmerte. Er hoffte, es würde schnell vorbeigehen.
»Sie hat gewonnen«, stieß sie keuchend hervor. Er rückte langsam näher, kaum in der Lage zu verstehen, was sie sagte. »Sie hat gewonnen, weil sie so großartig ist. Und ich bin so schrecklich.« Dabei machte sie diese traurige kleine Sache: Sie zupfte an winzigen Fädchen ihrer Jeans, ohne ihn dabei anzusehen.
»Was ist los mit dir, Winters?« Er ließ sich auf einen Platz neben ihr gleiten. Eigentlich war er nicht unbedingt scharf darauf, sich mit Emilys hysterischen Anfällen zu beschäftigen – dazu fehlte ihm einfach die Kraft –, aber er wusste sowieso nicht, wohin er sonst gehen sollte.
»Gabby, Gabby. « Beim zweiten Mal wimmerte sie es. Und dann fing sie an zu reden und hörte nicht mehr auf, außer wenn sie einmal husten, schniefen oder schlucken musste. »Wir wollten uns heute Morgen vor der Schule treffen, wie sonst auch. Wir treffen uns morgens immer bei Dunkin’ Donuts und kaufen uns einen Schoko-Cappuccino.«
Chase nickte. Sich die Probleme von jemand anderem anzuhören, war immerhin besser, als über
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