Rache der Königin
Bandes beschrieb ich die Marschälle Bassompierre, d’Estrées und Créqui, doch wäre dieses farbenreiche
Tableau unvollständig, wenn ich ihm nicht den Marschall de La Force hinzufügte, der in unserem Fall sich mit Schomberg und
Marillac im Feldlager Foglizzo befand.
La Force war sein Name als Herzog. Eigentlich hieß er Nompar de Caumont, Herr der Schlösser Castelnau und Milandes im Périgord,
dem ich durch die teuersten Erinnerungen meiner jungen Jahre verbunden bin. Der Vater dieses Nompar de Caumont, François,
hatte eine schöne Cousine namens Isabelle, die mein Großvater, der Baron von Mespech, geheiratet |238| hat: eine Ehe, die sowohl glücklich wie unglücklich war, glücklich durch die Liebe, die sie füreinander empfanden, unglücklich
aber, weil sie glühende Katholikin war, er hingegen strenger Protestant und beide ziemlich unnachgiebig in ihrem Glauben.
Im Jahr 1630 in Foglizzo war der Marschall de La Force bereits einundsiebzig Jahre alt, dabei aber rüstig und lebenslustig.
Seine ganze Familie wie auch meine waren für ihre erstaunliche Langlebigkeit berühmt, und ich habe begründete Hoffnung, daß
mein Großvater, der Baron von Mespech, ebenso wie François de Caumont, Herzog de La Force, so spät wie möglich in die ewige
Seligkeit eingehen werden.
Marschall de La Force hätte als Herzog und Dienstältester den Vortritt vor Schomberg und Marillac gehabt, und so war er etwas
pikiert, als er am Tag zuvor – ich betone, am Tag bevor der Kabinettsbote Lépine eintraf – einen Brief des Königs erhalten
hatte, der ihn über die Ernennung des Marschalls von Marillac zum Generalissimus informierte. Dieser Brief war tatsächlich
am zehnten November verfaßt und abgesandt worden, das heißt vor dem wütenden Angriff der Königinmutter auf Richelieu, als
ein letztes Zugeständnis des Königs an seine Mutter. Er hatte sie gegen den Kardinal duldsamer stimmen wollen, indem er den
Bruder ihres Günstlings beförderte. Es war nun grausame Ironie des Schicksals, daß der Brief, den Lépine überbrachte und der
Marillacs Festnahme befahl, einen Tag nach dieser Beförderung in Foglizzo eintraf. Ich wette, daß noch nie in der Geschichte
Frankreichs der Tarpejische Felsen dem Capitol so nahe gelegen hat.
Die Stunde indes war freundlich. Trotz der Kälte strahlte die Sonne, der Schnee glitzerte. Und die drei Marschälle, alle drei
große Esser, schickten sich fröhlich an zu speisen. In dem Moment erschien der Kabinettsbote Lépine und übergab Schomberg
wortlos (wie es ihm befohlen war) den Brief, den Schomberg, beiseite tretend, öffnete und zu lesen begann. Da trat La Force,
immer eingedenk, daß er Herzog und Dienstältester war, hinzu, warf über Schombergs Schulter einen Blick auf das Schreiben
und sagte leise: »Monsieur, lest Euren Brief woanders.« Schomberg stimmte zu, steckte das Schreiben in seinen Ärmelaufschlag
und sagte: »Meine Herren, bitte speist ohne mich. Nach dem Diner befassen wir uns mit dem Brief des Königs.«
|239| Erschüttert durch das soeben Gelesene, rief Schomberg seinen Adjutanten, Feldmeister Puységur, und befahl ihm, die Hauptleute
der Garden in seinem Kabinett zu versammeln.
»Meine Herren«, sagte Schomberg ernst, als sie erschienen waren, »ich erhalte soeben einen Brief des Königs, der mich betrübt
und der Euch sehr seltsam anmuten wird. Ich soll zur Stunde den Herrn Marschall von Marillac verhaften. Ich muß Euch nicht
in Erinnerung rufen, daß ein Befehl ein Befehl ist. Es steht uns nicht zu, ihn zu bewerten, sondern nur, ihn auszuführen.
Meine Herren, kann ich mich auf Eure Tatkraft und Euren Gehorsam verlassen?«
Hierauf trat der dienstälteste Gardehauptmann einen Schritt vor.
»Herr Marschall«, sagte er mit der lauten und klar artikulierten Stimme, die man im Heeresdienst lernt, »Ihr könnt Euch darauf
verlassen.«
Dann wiederholten die anderen Hauptleute, indem auch sie vortraten, mit derselben Stimme denselben Satz.
»Puységur«, sagte nach einer Zeit Schomberg, »seht einmal diskret nach, ob das Mahl der Herren Marschälle Marillac und La
Force beendet ist, und wenn dem so ist, dann bittet sie zu mir.«
Zehn Minuten später treten die beiden Marschälle ein. Vom Anblick der Gardehauptleute überrascht, fragt in gereiztem Ton Marillac:
»Was sollen die Offiziere hier? Wir werden doch nicht in ihrer Gegenwart den Brief des Königs bereden!«
»Leider«, sagt Schomberg, »sind die Herren eben
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