Rache der Königin
die Königin genauso entschlossen, wie sie eine Minute früher trompetet hatte, sie fahre. ›Dann
warte ich hier, daß der König kommt und sich dafür entschuldigt, meine Worte in den Wind geschlagen zu haben!‹
›Diese Szene‹, sagte La Ville-aux-Clercs, als er mir das Ganze erzählte, ›erschien mir um so peinlicher, als ich bemerken
konnte, wie das Heer der Schmeichler, das die Bettstatt der Königin umgab, in dem Maße, wie die Wahrheit über Marillacs Ungnade
bekannt wurde, sich nach und nach verkrümelte, so daß am Ende nur noch ein Dutzend übrig war – die getreuesten, oder einfach
die dümmsten.‹«
***
Ich meine den Bruder des Siegelbewahrers, Marschall Louis de Marillac, Generalissimus der Italienarmee, der sich derzeit im
Feldlager von Foglizzo befand und Auftrag hatte, Casale zu entsetzen.
Es ist wahr, daß Louis de Marillac die Antipathie, um nicht zu sagen den Haß, teilte, den sein Halbbruder, der Siegelbewahrer,
für den Kardinal hegte. Und weil er ein unbesonnener, streitlustiger und großmäuliger Mensch war, der zuwenig dachte und zuviel
sprach, verstieg er sich eines Tages in Gesellschaft des Herzogs von Guise und Bassompierres zu der Äußerung, wenn er den
Befehl erhielte, würde er, wie es Vitry im Jahr 1617 mit Concini gemachte habe, dem Kardinal mit einem Schuß den Schädel zertrümmern.
Weil diese Worte in den Gemächern der Königinmutter fielen, die sie mit Wonne vernahm, entgingen sie auch den hübschen Ohren
der Zocoli nicht. Sie gelangten auf den gebräuchlichen Wegen über Fogacer zu mir, der ich sie dem König weitersagte, der diese
unbedacht dahingeredeten, aber doch bedrohlichen Worte in einem Winkel seines Gedächtnisses verwahrte, um sich ihrer bei gegebenem
Anlaß zu erinnern.
Dieser Anlaß ergab sich, als der König, nachdem er in dem denkwürdigen Rat zu Versailles beschlossen hatte, Michel de Marillac
zu verbannen, sich besann, daß diese Maßnahme seinen Halbbruder erbittern könnte, der als Generalissimus der Italienarmee
über dreißigtausend Mann gebot. Es stand also zu fürchten, daß der Marschall aus Entrüstung über das Los seines Bruders an
Rache denken und in seinem geringen Verstand zur offenen Rebellion gegen den König übergehen werde. Zwar hatte er in Italien
die Marschälle Schomberg und La Force zur Seite, beide ehern königstreu, doch konnte er sich ihrem Einfluß entziehen und die
ihm direkt unterstellten sechstausend Mann nach Paris zurückführen, Schaden anrichten und damit der Kabale zu neuer Hoffnung
verhelfen.
So wurde denn beschlossen, den Kabinettsboten Lépine zu Marschall Schomberg ins Feldlager Foglizzo mit einem Brief des Königs
zu entsenden, der ihm befahl, Marschall Louis de |237| Marillac auf der Stelle zu verhaften und unter angemessener Eskorte nach Paris zu bringen.
Dieser Lépine muß ein verdammt guter Reiter gewesen sein, galt es doch, Foglizzo um jeden Preis noch vor der Post zu erreichen.
Ein einziger Brief, der vorher von Paris bei Louis de Marillac einträfe, konnte Feuer ans Pulverfaß legen. Lépine dürfte mehrere
Pferde zuschanden geritten haben, denn er traf am einundzwanzigsten November vor Mittag in Foglizzo ein. Und was nun geschah
und was, wie man ahnen wird, höchst dramatisch war, erfuhr ich von meinem guten und unwandelbaren Freund, Marschall Schomberg,
der mir alles genau erzählte, indem er hinzufügte, dies sei der schmerzlichste Tag seines ganzen Soldatenlebens gewesen.
Meine schöne Leserin hat sicherlich nicht vergessen, daß Schomberg als der treueste Ehemann Frankreichs galt, und die Damen
des Reiches, auch meine, hielten ihn ihren Männern als leuchtendes Beispiel vor. Dazu besaß er sämtliche Vorzüge, welche die
heiligen Bücher uns anempfehlen, ohne daß er darum, was ja das Ganze verdorben hätte, auch nur einmal der Sünde des Stolzes
verfiel. Kurzum, er wäre uns allen in Hof und Stadt ein Vorbild gewesen, wenn seine Vollkommenheit uns nicht von vornherein
entmutigt hätte.
Bei so vielen beneidenswerten Tugenden besaß Schomberg selbstredend auch die allerseltenste, nämlich Dankbarkeit. Und wie
man sich vielleicht entsinnen wird, hatte er mich vor Jahren in sein dankbares Herz geschlossen, weil ich beim König für ihn
eingetreten war – was immer gefährlich sein konnte –, auf daß Seine Majestät ihn von den böswilligen Verleumdungen reinwasche,
die ihn in Ungnade zu stürzen trachteten.
Im zweiten Kapitel dieses
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