Rache der Königin
Recht. Wozu soll man einer Unschuldigen Leiden bereiten? Beichte lieber dem Domherrn Fogacer. Er kennt das
Leben und wird dich nicht verdammen wie so ein lebensfremder Priester.«
Sowie Nicolas wieder Mut gefaßt hatte, schickte ich ihn zu Charpentier, um auszurichten, daß ich um die Ehre bäte, Seine Eminenz
baldmöglichst zu sprechen, ich hätte Interessantes zu berichten. Und Nicolas, den ich ermahnte, sich nicht am Ufer der Gironde
zu vertrödeln, deren Breite ihn sehr beeindruckte, kehrte tatsächlich zurück wie der Wind und sagte, der Kardinal breche am
anderen Morgen um acht Uhr auf nach Paris, ich solle ihm in meiner Karosse folgen, er werde mich an der nächsten Etappe empfangen.
So geschah es. Und ich war es zufrieden, denn diese letzten Novembertage waren sehr kalt und die Karosse des Kardinals angenehm
warm durch die Glutbecken, auf die man die Füße stellen konnte.
Richelieu, dem die Tage immer zu kurz waren, hieß mich ohne Umschweife berichten, was ich von der Zocoli gehört hatte. Und
ich tat es, so genau und so knapp ich konnte.
Er schien mir stark pikiert zu sein von dem schmutzigen Wort der Königin und der Chevreuse, seine Hinterfront betreffend,
doch tat er es als nichtig ab. In ernstliche Erregung versetzte ihn hingegen, daß Châteauneuf sich zum Sklaven der Chevreuse
machte. Trotzdem bezeigte er in dieser Sache Zweifel. Und wie hätte ein Mann wie er, von so großer seelischer Festigkeit und
überdies so wenig empfänglich für weiblichen Zauber, sich auch in einen Graubart hineinversetzen können, der einer erzkoketten
Frau verfallen war?
|322| Gewiß, er wußte bereits, daß Châteauneuf den Ehrgeiz hegte, ihm nachzufolgen, und daß er, als er zu Bordeaux an seinem Abszeß
erkrankte, an die Chevreuse geschrieben hatte, er sei »höchst ungeduldig zu erfahren, ob Seine Eminenz an diesem Leiden sterben
werde«. Doch war Châteauneuf zu dem Zeitpunkt noch nicht soweit, Verrat zu begehen. Um den Zweifel des Kardinals darüber zu
zerstreuen, wie groß die Macht der Chevreuse über ihren alternden Galan war, legte ich ihm jenen Entwurf vor, in dem die Dame
in hochmütigen Worten von Châteauneuf unbedingten Gehorsam forderte. Richelieu war baff, und er geriet in große Sorge, daß
Châteauneuf den diabolischen Reifröcken Staatsgeheimnisse verraten haben könnte.
Wenn ich mich recht entsinne, dauerte die Reise ungefähr zehn Tage, bis wir Paris erreichten, und die Kälte wurde immer bissiger,
je weiter wir nach Norden kamen. In Paris angelangt, ließ Richelieu meine Karosse ohne mich ins Hôtel des Bourbons fahren,
samt einem Billett an die Frau Herzogin von Orbieu, worin er ihr sagte, daß er mich zum König mitnehme, mich aber vor Mittag
zu ihr schicken werde.
Der König strahlte, seinen Minister wiederzusehen, den einzigen Menschen, den er wirklich liebte und in den er uneingeschränktes
Vertrauen setzte. Er drückte ihm beide Hände und bezeugte ihm durch seine Blicke die innigste Freundschaft. Es versteht sich,
daß auch ich noch ein wenig von diesem warmherzigen Empfang profitierte, was mir großes Vergnügen bereitete.
Gemäß der Verabredung zwischen Richelieu und mir berichtete ich Seiner Majestät, was die Zocoli mitgeteilt hatte, mit Ausnahme
der ungezogenen Reden über Seine Majestät, die Richelieu nicht ohne Grund Ludwig lieber im Vertrauen sagen wollte.
Der König war nicht sonderlich erstaunt, als er von dem Verhältnis zwischen Châteauneuf und der Chevreuse hörte wie auch von
der Tyrannei, die sie über ihn ausübte.
»Jetzt ist alles klar«, sagte er. »Erinnert Ihr Euch, wie wir in Lothringen die kleine Festung angriffen, die nach unseren
Informationen schwach und schlecht verteidigt wurde, und wie wir plötzlich eine starke Garnison vor uns hatten? Es war offenbar,
daß unser Plan verraten worden war. Und das kann nur |323| Châteauneuf gewesen sein, der in seiner schuldigen Schwachheit die Chevreuse in unseren Angriffsplan einweihte, die davon
sofort den Herzog von Lothringen unterrichtet hat.«
Hierauf sagte mir Seine Majestät, daß er am folgenden Tag nach Saint-Germain gehe und daß er Weisung erteilt habe, dort auch
Gemächer für die Herzogin von Orbieu und mich zu reservieren. Zu Catherines großer Enttäuschung wurde jedoch nichts daraus,
denn wegen ihrer Schwangerschaft hatte sie ständig mit Übelkeit und Erbrechen zu kämpfen, so daß ich sie im Hôtel des Bourbons
zurücklassen mußte.
Der
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