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Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Patterson
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ausgeleierte Sportklamotten und war nicht geschminkt. Ihre Augen waren so rot vom Weinen, dass sie auf einem »Vorher«-Bild einer Medizinwerbung als Beispiel für eine Allergiepatientin hätte durchgehen können.
    Aber für mich sah sie schöner aus denn je, und ich hätte sie am liebsten nur in meinen Armen gehalten. Doch unter diesen Umständen unternahm ich nicht einmal den Versuch.
    Wir setzten uns in die Küche, wo wir eine Flasche Bordeaux öffneten, ihren Lieblingswein, einen 2003er Branaire-Ducru. Wusste Thomas Ferramore davon? Wusste er irgendetwas von dem, was ihr gefiel? Vielleicht. Vielleicht liebte er sie so wie ich. Scheiß auf Ferramore. Natürlich tut er das nicht.
    Nachdem wir ein paarmal wortlos am Wein genippt hatten, holte sie ganz tief Luft und stieß sie wieder aus. »Los«, forderte sie mich auf, »stell schon die 64 000-Dollar-Frage.«
    In Anbetracht von Ferramores Bankkonto ging es eher um die 64-Millionen-Dollar-Frage, doch diesen schlechten Witz ersparte ich ihr lieber. Ich hatte auch vor, das Wort »Supermodel« zu vermeiden.

    Doch ich stellte die Frage, die sie hören wollte oder vielmehr musste. »Stimmt es?«
    »Tom schwört, dass es nicht stimmt. Aber er sagt, dass er es nicht beweisen kann.«
    »Glaubst du ihm?« Tu es nicht, Courtney. Er ist ein superreiches Superarschloch.
    Courtney blickte an dem Weinglas hinab, das sie mit ihren Händen umklammerte. Die pfaumenrote Farbe des Bordeaux spiegelte sich in ihrem zehnkarätigen Diamantring. Sie trug ihn immer noch.
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie schließlich.
    Das war’s.
    Sie fragte mich nicht nach meiner Meinung. Sie wollte nicht wissen, was sie meiner Meinung nach tun sollte. Vielleicht, weil sie es bereits wusste. Sie ist ja so schlau.
    »Konzentrieren wir uns auf die Arbeit«, sagte sie. »Ich muss eine Zeitschrift am Laufen halten, und du wirst vielleicht die größte Geschichte deines Lebens schreiben. So weit korrekt?«
    Ich musste lächeln. Wieder einmal legte sie den Beweis auf den Tisch: Wenn Arnold Schwarzenegger der Terminator war, war Courtney Sheppard die Separiererin.
    »Was den Mord an Vincent Marcozza betrifft, hat die Polizei den falschen Mann verhaftet«, fuhr sie fort. »Und du bist der Einzige, der es beweisen kann.«
    »Sie hat vielleicht den falschen Mann verhaftet«, korrigierte ich sie. »Und was meine Beweise betrifft, habe ich bisher so gut wie gar nichts in der Hand.«
    »Noch nicht. Aber morgen ist ein neuer Tag«, erwiderte sie. »Morgen ist immer ein neuer Tag.«
    Ich blickte sie an. »Was hast du vor?«, fragte ich sie.
    Die Art, wie sie »morgen« gesagt hatte, machte mich stutzig.
Als wollte sie gleich einen Trumpf aus dem Ärmel ziehen.
    Klar, dass bei Courtney immer noch einer im Ärmel steckte.

47
    »Kommen Sie rein«, bat mich Derrick Phalen von der Abteilung Organisiertes Verbrechen. Er begrüßte mich an der Tür seines Büros in White Plains in New York mit einem lockeren Lächeln und einem festen Handschlag. Als er zu seinem Schreibtisch zurückging, deutete er auf einen alten, abgenutzten grauen Stuhl davor, der aussah, als würde er gleich kollabieren. »Setzen Sie sich, wenn Sie sich trauen«, witzelte er, was ich gar nicht so witzig fand.
    »Danke.« Ich ließ mich vorsichtig nieder. »Hat ganz gut geklappt«, meldete ich schließlich.
    Als ich mich rasch in dem bescheidenen Büro des jungen Staatsanwalts umblickte, kam ich zu einer ebenso raschen Schlussfolgerung: Dieser Typ arbeitete für seinen Lebensunterhalt. Sein Schreibtisch war vollständig mit Papierkram eingedeckt, die dicken Akten um ihn herum glichen einem Burgwall.
    Doch es waren die kleinen gelben Haftzettel mit Notizen und Telefonnummern, die mir als Erstes ins Auge fielen. Sie klebten auf jeder verfügbaren Oberfäche – Bildschirm, Schreibtischlampe, Klammergerät, Kaffeebecher. Selbst das gerahmte Jura-Diplom an der Wand war nicht verschont worden.
    »Und woher kennen Sie Courtney?«, fragte ich. »Sie hat mir nicht alle Einzelheiten erzählt.«
    »Ich habe im Middlebury College mit ihrem Bruder zusammengewohnt«, antwortete er.
    Ich hatte sogleich das Gefühl, ins Fettnäpfchen getreten
zu sein, auch wenn ich wusste, dass dem eigentlich nicht so war. »Oh« war alles, was ich herausbrachte.
    »Ja«, sagte er. »Ich weiß. Es sind bald zehn Jahre vergangen seit Mikes Tod, und ich kann es immer noch nicht glauben.« Er rieb sich nachdenklich übers Kinn. »Er war ein toller Bursche. Ich war damals zufällig in

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