Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
Psychopath zu sein, der sich an der Folterung seiner Opfer erfreut. Es liegt ihm fern, ihnen unnötige Qualen zu bereiten. Offenbar will er in erster Linie eine Aussage machen.“
„Eine Aussage?“
Thomas nickte. „Er möchte, dass die Leichen so gefunden werden, wie er es geplant hat. Aber die Opfer an sich stehen nicht im Mittelpunkt, da ihre Körper unversehrt sind. Also kommt es auf die Botschaft an. Wir sollen wissen, dass dort draußen ein Polizistenmörder herumläuft. Und wir sollen Angst vor ihm haben. Das ist der Knackpunkt.“
„Aber wir wissen doch gar nicht, ob der Kerl überhaupt einen weiteren Mord geplant hat. Zudem haben wir keinen Schimmer, wer das nächste Opfer im Fall der Fälle sein könnte.“
„Das stimmt“, sagte Thomas. „Dennoch bin ich davon überzeugt, dass er noch jemanden von uns im Visier hat.“ Er blickte auf einige Aktenordner. „Hat Professor Horn eigentlich schon Vielbuschs Obduktion durchgeführt?“
„Ja. Er konnte es kaum übers Herz bringen, aber letztendlich hat er sich auf seine Professionalität besonnen. Allerdings ist ihm nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Der Schuss in die Stirn war definitiv die Todesursache. Keine weiteren Verletzungen. Keine Kampfspuren.“
„Todeszeitpunkt?“
„Gestern zwischen 22 und 23 Uhr.“
„Wissen wir, wo der Täter Vielbusch überfallen hat?“
„Nein, es gibt keinerlei Anzeichen von Gewalt bei ihm zuhause. Keine Einbruchspuren. Sein Auto steht in der Garage.“
„Hat die SpuSi es schon überprüft?“
„Ja. Es gab keine Hinweise.“
„Und wir haben auch keine Ahnung, wie der Mörder ihn zum Fußballstadion gebracht hat. Vermutlich besitzt er ein eigenes Auto. Das hilft uns aber nicht viel, da offenbar niemand etwas von dem Transport gesehen hat.“
Kortmann nickte stumm. Wir haben nichts in der Hand.
Absolut nichts.
18
Nora und Hans schritten gemeinsam über einen Kiesstrand, der sich direkt vor den Kreidefelsen befand. Während die Kommissarin ihre Hände in den Jeanstaschen vergraben hatte, ließ Hans sie lässig umherschwingen. Hin und wieder nahm er einen Stein auf und warf ihn ins Wasser.
„Erzählen Sie mir von Ihrem Exmann“, forderte er Nora auf.
„Von Max?“
„Ja.“
„Wie viel wollen Sie denn von ihm hören?“
„Alles. Meistens ist es so, dass bereits der Moment des Kennenlernens sehr viel über die weitere Zukunft aussagt.“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Dann würde es so etwas wie einen vorbestimmten Weg im Leben geben.“
„Daran glauben Sie nicht?“
„Nein, das klingt mir zu abwegig. Max und ich haben uns nämlich in einer Bücherei kennengelernt. Es ist ausgeschlossen, dass dieser Umstand etwas mit unserem weiteren Leben zu tun hatte. Wir waren nie wieder zusammen in dieser Bücherei.“
„Wieso waren Sie damals dort?“
„Ich habe mir einige Reiseführer ausgeliehen.“
„Wann war das?“
„Vor über zehn Jahren. Es ist eine halbe Ewigkeit her.“
„Und warum war Max dort?“
„Er hat sich bei der Leiterin der Bücherei nach einem bestimmten Buch erkundigt. Ich glaube, dass es um Naturfotografien ging.“
„Hatte er viel für die Natur übrig?“
„Er ging sehr gerne draußen spazieren und beobachtete Vögel.“
„Wie steht es mit Ihnen in Sachen Natur?“
„Ich bin nicht unbedingt eine aktive Naturschützerin. Aber auch ich gehe gerne mal in einem Wald spazieren. Oder an einem Strand.“ Sie sah auf die Ostsee hinaus. Der Wellengang war stärker als gestern. Der Wind hatte deutlich zugenommen. Zwar dachte Nora gerne an den gestrigen Tag zurück, allerdings konnte sie nicht leugnen, dass ihr der Abend nicht mehr besonders gefallen hatte. Nachdem Hans sich als ehemaliger Psychologe entpuppt hatte, war eine merkwürdige Anspannung zwischen die beiden getreten. Nora konnte sich nicht mehr so ungezwungen auf ihn einlassen wie zuvor. Denn sie wusste, dass er jeden ihrer Sätze analysieren würde. Das brachte sie zwangsläufig dazu, auf jede Äußerung zu achten. Und das stand im Gegensatz zu der lockeren Art, die sie bis zu diesem Zeitpunkt in Hans’ Gegenwart an den Tag gelegt hatte. Doch obwohl sie gestern Abend recht distanziert geworden war, wollte sie sich noch einmal mit Hans treffen. Möglicherweise tat sie ihm Unrecht, und er konnte seine berufliche Natur zugunsten einer normalen Freundschaft ablegen. Um das herauszufinden, schritt sie nun weiter mit ihm am Strand entlang. „Jedenfalls hat Max mich dann auf die Reiseführer angesprochen,
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