Rachelust - Der sechste und letzte Fall für Nora und Tommy
ist alles zu spät! Er ist tot!“ Dorm schnaufte. Er trat dicht an Tommy heran. „Warum hast du nicht auf mich gehört?!“
Tommy antwortete nicht. Er konnte Dorm nicht einmal in die Augen sehen.
„Es ist vorbei. Der Mörder hat gewonnen. Denn er wird uns gewiss keine Spuren hinterlassen haben. Schließlich hat er das nicht einmal am Zaun des Fußballstadions gemacht. Da wäre aber der wahrscheinlichste Punkt dafür gewesen. Gott, ich könnte so ausrasten! Ich bin so sauer!“
Thomas sagte noch immer nichts. Er ließ seinen Blick von Dorm zu den übrigen Kollegen schweifen. Alle sahen ihn mehr als zerknirscht an.
Wir hätten diese Tragödie wirklich verhindern können , dachte er. Wären wir direkt in die Kirche gestürmt, dann wäre Kortmann jetzt noch am Leben. Dorm hat absolut recht. Ich habe eine falsche Entscheidung getroffen. Und dafür musste ein weiterer Mensch mit dem Leben bezahlen. Das werde ich mir nie verzeihen.
Niemals.
30
Gegen 22 Uhr saß Thomas auf der Couch in seinem Wohnzimmer. Er legte den Kopf in den Nacken und sah an die Decke. Seit zwölf Jahren jagte er die Verbrecher dieser Stadt ohne Gnade. Er gehörte zu den besten Ermittlern der Direktion. Zusammen mit Nora bildete er ein unschlagbares Team. Doch in diesem Moment musste er sich eingestehen, dass all seine guten Taten nichts mehr wert waren. Er wusste genau, dass er Kortmanns Tod mitzuverantworten hatte. Wäre er sofort in die Kirche gestürmt, dann hätten er und seine Kollegen ihren Vorgesetzen noch retten können. Zwar war es im Grunde die richtige Entscheidung gewesen, die Türen der Kirche gründlich zu überprüfen. Aber genau dieser Punkt machte ihm nun zu schaffen. Er war davon ausgegangen, der Mörder habe ihm eine weitere Falle gestellt. Doch das war nicht der Fall gewesen. Die eigentliche Finte hatte darin bestanden, dass es eben keine Falle gegeben hatte. Auf der Suche nach einem Sprengsatz oder einer sonstigen Vorrichtung hatte Tommy die nötige Zeit verloren, um Kortmann noch retten zu können. Er sah die Digitalanzeige der Bombe noch genau vor Augen. Dieser Anblick würde ihn nicht mehr loslassen. Nie wieder.
Dieser Schweinehund. Er wusste, dass ich seinen nächsten Schritt als neuen Trick ansehen würde. Daher hat er noch einen Schritt weitergedacht. Er hat meine Vorgehensweise ausgenutzt, um mich mehr zu quälen und wie einen Idioten dastehen zu lassen.
Hasserfüllt beugte Tommy sich vor und langte zu einer Bierflasche, die vor ihm auf dem Couchtisch stand. Es war bereits die dritte, die er sich öffnete. Er musste seinen Kummer ertränken. Anders konnte er nicht mit dem Schmerz umgehen.
Sonst frisst er mich auf. Das weiß ich genau.
Nach vier großen Schlucken stellte er die Pulle wieder ab, wischte sich über den Mund und sah hinüber zum Fenster. Da er die Rollladen noch nicht heruntergelassen hatte, starrte er auf seine dunkle Terrasse hinaus. Seine Unterkunft befand sich in Weende , dem nördlichsten Stadtteil Göttingens. Sie lag im Erdgeschoss eines großen Kastengebäudes, das aus fünf Stockwerken bestand.
Ich bin nicht so stark, wie ich bisher gedacht habe. Sonst hätte ich meine Kollegen beschützen können. Vor allem Nora und Kortmann. Ich werde mir nie verzeihen, dass ich den Mörder nicht schon längst geschnappt habe.
Schuldbewusst raffte er sich von der Couch auf und schlurfte hinüber zur Terrassentür. Zum ersten Mal seit langer Zeit rann eine Träne über seine Wange. Dann folgte eine zweite. Die tödlichen Zwischenfälle machten ihm bewusst, wie vergänglich alles war.
Noch vor wenigen Tagen ist alles in bester Ordnung gewesen. Doch nun liegt meine Welt komplett in Trümmern. Das beweist, welche Bedeutung die Menschen in meinem Umfeld einnehmen. Sie sind das Wichtigste überhaupt. Ohne Freunde und Kollegen besteht mein Leben aus nichts. Gar nichts.
Geld spielt eine große Rolle. Die eigene Gesundheit ist wichtig. Aber die Menschen um mich herum machen das Leben erst zu dem, was es ist. Sie machen es aufregend und abwechslungsreich. Sie machen es lebenswert. Wo wäre ich ohne sie?
Während Tommy sich gegen den Türrahmen lehnte, zuckte er plötzlich in sich zusammen. Das Klingeln an seiner Wohnungstür fuhr ihm durch Mark und Bein. Er trocknete die Tränen und ging zum Flur. Als er die Wohnungstür öffnete, sah er Dorm vor sich.
„Wir müssen reden“, sagte sein Kollege, bevor er ohne Aufforderung in die Wohnung trat.
„Wenn du mir weitere Vorwürfe machen willst, dann kannst du
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