Räuberdatschi: Ein Fall für Anne Loop (Piper Taschenbuch) (German Edition)
seit Kurzem.«
»Also dann, bon appetit!«, meinte Jules und lächelte angespannt. »Didi, du gut passt auf Mademoiselle Loop, compris?«
»Aber klar pass ich auf. Jetzt esset mir aber erscht einmal, gell, Frau Loop!« Er öffnete die Champagnerflasche, kommentierte den Knall mit »fascht wie ein Pischtolenschuss!« und beschmierte dann zwei Baguettestücke mit Gänseleberpastete. Eines davon hielt er anschließend Anne hin. Als er sah, wie sie es mit ihren gefesselten Händen nahm, fragte er: »Soll ich Sie füttern?«
»Geht schon«, meinte Anne. Die ganze Situation verstörte sie. Hier der Champagner, da die geladene Pistole. Hier ein an sich liebenswerter Alter, der aber schon jemanden erschossen hatte, und da auf dem Flur zwei gewaltbereite junge Menschen mit politischen Zielen. Und ganz draußen die Polizeipanzer der Kanzlerin.
»Ich bin übrigens der Didi«, meinte Dieter Gräber ganz unvermittelt und mit vollem Mund.
»Ich heiße Anne«, antwortete sie lustlos.
Dieter Gräber hob sein Glas: »Proscht, Anne! Es ischt mir ein Vergnügen, mit dir a bissle zum Süffeln!«
Dann verzehrten sie gemeinsam das Baguette und die Pastete. Als auch die Flasche Champagner beinahe leer war, sagte Dieter Gräber: »Au weh, jetzt muss ich fei biseln! Die Proschtata. Du auch?« Anne schüttelte den Kopf. »Dann hascht wahrscheinlich einen Katheter?« Anne schüttelte erneut den Kopf. Dieter Gräber blieb ratlos sitzen.
Anne hatte plötzlich eine Idee. Sie suchte Dieter Gräbers Blick und sagte vorsichtig: »Ich habe ja heute die Pflegedienstleitung.«
Die Polizistin erschrak, als sich Dieter Gräbers Gesicht mit einem Mal gewaltig verfinsterte. »Und was soll das dann?«, blaffte er sie vorwurfsvoll an und deutete auf die Teller und die Brösel auf dem Tisch, die Überreste ihres Essens.
»Wie?«, fragte Anne mit zitternder Stimme.
»Der Saustall da! Sie saget, Sie sind heut Pflegedienschtleiterin, und ich hab hier so einen Verhau? Ja für was zahl ich Sie denn?«
»Ach so, jaja«, stammelte Anne. »Das wird gleich weggeräumt, selbstverständlich, ganz klar.«
»Wird weggeräumt?« Er starrte sie vorwurfsvoll an: »Sie räumet des weg! Jetzt! Sofort!«
Im selben Moment öffnete sich die Tür, und Jorina betrat das Zimmer. »Hi, na ihr?« Anne sah sie unsicher an, Dieter Gräber blickte ihr erleichtert entgegen. Als sie die Blicke bemerkte, fragte sie: »Alles okay? Was schaut ihr so?«
»Sie, Fräulein, grad sprechen mir von Ihne: Könntet’Se bitte den Verhau da mitnehmen? Mir sind fertig mit dem Feschtmahl.«
»Ach ja? Na dann!«, meinte Jorina, schnappte sich die Teller und ging hinaus.
»Und bitte noch wischen!«, rief Dieter Gräber ihr hinterher.
»So«, meinte Anne plötzlich mit wieder aufkeimender Sicherheit. »Dann wollen wir mal, oder?« Und hielt Dieter Gräber ihre Hände hin.
Der blickte sie verständnislos an. »Na ja, Sie haben doch gesagt, Sie müssen aufs Klo, Herr Gräber. Und ich habe heute Pflegedienstleitung.« Auffordernd nickte sie mit ihrem Kopf in Richtung der Hände. »Dann wollen wir unser Fesselspielchen jetzt doch mal beenden und zur Toilette gehen, oder?«
Einen Augenblick lang ratterte es im Schädel des Mannes, der einmal Geheimagent gewesen sein wollte. Dann sprang er auf, umrundete den Schreibtisch, riss mehrere Schubladen auf, bis er gefunden hatte, was er suchte, und kehrte mit einer Schere zurück. Dann ging er zu Anne und schnitt ihr tatsächlich vorsichtig das Klebeband von den Handgelenken.
Annes Herz raste. Wenn Jorina oder Jules jetzt zurückkamen, was würden sie dann mit ihr machen? Und wie lange würde Dieter Gräber in diesem geistigen Modus bleiben, in dem sie seine Pflegedienstleiterin spielen konnte? Als ihre Hände frei waren, nahm sie Dieter Gräber mit den Worten »das haben Sie gut gemacht« die Schere ab und schnitt die Fußfesseln auf. »So, dann wollen wir mal!« Anne stand auf und ging zur Tür. Vorsichtig drückte sie die Klinke herunter und öffnete sie einen Spalt. Draußen im Flur war niemand zu sehen. Vom Nebenzimmer her hörte sie Stimmen.
»Los«, flüsterte sie Dieter Gräber zu und zog ihn an der rechten Hand hinter sich her.
»Warum flüschterscht du, Marlene?«
Anne rutschte das Herz in die Hose. Was sollte das jetzt wieder, wer war Marlene? Während sie den alten Mann hinter sich her zur Treppe zog, überlegte sie fieberhaft, was sie sagen sollte.
»Du musst doch aufs Klo, Didi, oder?«
»Ja, schon«, sagte dieser viel zu laut. Im
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