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Räuberleben

Räuberleben

Titel: Räuberleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Hartmann
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Bühler gesagt; der Landesherr solle sich doch selbst ein Bild von den Zuständen machen. Nach Ludwigsburg? D’accord. Aber zu Pferd und nicht in der Kutsche. Ein tüchtiger Ritt würde den Minister ermüden und seine Bittreden abkürzen. Natürlich musste man dem Mann allergnädigst das Ohr leihen, er war ja intelligent und beschlagen in allen Fragen des Bauwesens; und dass er ein so großes Gewicht auf Erziehung und Bildung der Minderbemittelten legte, war ihm nicht zu verargen. Aber wenn er wieder über den dauernden Geldmangel in seinen Ressorts klagte, galt es, ihm rechtzeitig einen Riegel zu schieben. Man war als Landesherr verpflichtet, Prioritäten zu setzen, und die höchste lag, was die Bildung betraf, unumstößlich bei der Akademie, derentwegen Karl Eugen in ganz Europa gerühmt wurde. Darauf durfte er stolz sein, nicht von ungefähr wurde er von den Zöglingen als gütiger Vater verehrt. Er selbst nannte sie seine »Söhne«. Franziska, die nun endlich seine angetraute Frau war, pflegte ihn deswegen zu necken. Er wusste wohl, dass sich hinter ihrem leichten Ton die Trauer über ihre Kinderlosigkeit verbarg. Das ließ sich nicht ändern; die eigene Zeugungsfähigkeit hatte der Herzog in früheren Jahren dutzendfach, wenn auch außerhalb der Ehe, bewiesen. Einer seiner liebsten Ziehsöhne war ihm Schiller gewesen, der Jahr für Jahr Preise für ausgezeichnete Leistungen gewonnen hatte. Längst hätte er ihn, den Rebellen, den wortmächtigen Frechling, aus seinen Gedanken verbannen sollen, aber es gelang ihm nicht. Man sprach von Schiller hinter vorgehaltener Hand auch am Stuttgarter Hof, bewundernd sogar; das entging Karl Eugens scharfem Ohr nicht. Ja, der Verfasser der Räuber und der Luise Millerin war ein Stachel im herzoglichen Fleisch, ebenso wie Schubart. Der saß aber immerhin seit Jahren auf der Festung Asperg fest, während der Flüchtling Schiller in Mannheim oder anderswo unbehelligt gegen seinen Wohltäter anschrieb.
    Der Herzog, im Reitkostüm, erschauerte und rieb sich die Hände. Die Vasallen, die ihn umstanden, nahm er gar nicht wahr; er fühlte sich selbst mitten im Gedränge oft allein. Was hatte es denn für einen Sinn, an diesem heiteren Tag solch düstere Gedanken zu wälzen? Es stand ja vieles gar nicht so schlecht im Herzogtum. Man hatte kürzlich den Räuberhauptmann Hannikel und seine Bande gefasst. Sie sahen einem strengen Urteil entgegen. Der Bericht des Oberamtmanns Schäffer über die Ergreifung der Übeltäter und ihre Überführung nach Sulz war zwar langfädig und umständlich, aber doch in Teilen instruktiv; und von Schäffers wachsendem Ruhm als Räuberjäger konnte der Herzog, der die Verfolgung befohlen und finanziert hatte, einen guten Teil für sich beanspruchen. Dazu standen die Verhandlungen mit der Niederländisch-Ostindischen Kompagnie kurz vor dem Abschluss. Die Anwerbung eines Regiments von jungen Württembergern, die man zunächst in Kapstadt einsetzen wollte, würde endlich wieder gutes Geld in die Staatskasse spülen. Auch dies ein Großerfolg, und der war einzig und allein seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken.
    Die Hunde bellten, man brachte dem Herzog das Pferd. Er schwang sich, nicht ohne Nachhilfe, in den Sattel. Nun ja, es ging nicht mehr alles so leicht vonstatten, wie er sich’s gewünscht hätte. Er war schwer geworden, die Hüfte und die Knie schmerzten. Je älter man wurde, desto stärker musste man eben die Zähne zusammenbeißen. Aber er hielt sich immer noch gerade, weit gerader jedenfalls als der grämliche Baron von Bühler, der nun, von einem Pferdeknecht geführt, herbeigeritten kam, den Herzog mit einer kleinen Verbeugung zu grüßen versuchte und dabei fast vom Sattel rutschte.
    »Los geht’s«, kommandierte der Herzog. Der Tross setzte sich in Bewegung. Vier Husaren und ein wegkundiger Leibdiener ritten voran, hinter ihnen zwei Jäger mit ihren Hunden, und ganz am Schluss folgte, darauf hatte Franziska bestanden, doch noch eine Kutsche für den Fall, dass den Herren das lange Reiten wider Erwarten zu beschwerlich würde. Zunächst aber sorgte Karl Eugen dafür, dass er dem Minister stets um eine halbe Pferdelänge voraus war, gerade so, dass es nicht als Absicht erschien, aber Bühler dazu zwang, die Stimme zu heben.
    Die Sonne stand noch tief, im Gras glitzerte der Tau, kleine Nebelschwaden lösten sich beim Näherkommen auf. Hier und dort wurde gepflügt, man sah weidende Kühe. Die Bauern, die mit Handkarren und Pferdewagen

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