Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Drogenproblem und der Tatsache, dass ich Hendrik belogen hatte.
Am Abend saßen Hendrik und ich in der Küche, während Sarah vorm Fernseher hockte und sich auf der Suche nach einem vernünftigen Musiksender durchs Programm zappte. Meine Konkurrentin war kurzzeitig verschwunden, um vor dem Abendessen, das in der Backröhre brutzelte, ein heißes Wannenbad zu nehmen. Zeit, um Hendrik davon zu überzeugen, dass eine Person zu viel im Hause Zapf war.
»Komisch«, grübelte Hendrik. Er schloss die Geldkassette, schob sie beiseite und goss sich einen Kaffee nach.
»Was ist komisch?«, fragte ich.
»Es fehlt ein Zwanziger.« Er trank einen Schluck, stellte die Tasse ab und schüttelte gedankenversunken seinen Kopf. »Wer weiß, vielleicht habe ich mich ja auch nur vertan.«
Ich pflichtete ihm bei, während ich eine Möglichkeit suchte, das Gespräch auf ein sensibles Thema zu lenken: Exfrauen und die schamlose Ausnutzung einer Gastfreundschaft. Gerade als ich den Bogen gefunden hatte, stolzierte Miss Kriegerprinzessin anmutig herein, gefolgt von einer florientalischen Duftwolke. Scheiße, roch das gut!
Hendrik sprang auf. »Die gefüllten Pilzköpfe dauern noch etwas. Magst du derweil einen Kaffee?«, fragte er sie.
In mir brodelte es. Ihren Kaffee kann sich die Miss doch wohl alleine einschenken, dachte ich. Von wegen! Hendrik spielte den Kellner, während es Isabell genoss, ihm auf den Arsch zu starren. Mein Arsch, verstehste?, geiferte meine innere Stimme. Und ich überlegte, ihr einfach meinen kalt gewordenen Schluck Bohnenkaffee ins hübsch drapierte Dekolleté zu schütten, sie an ihrem langen Haar zu packenund wie einen räudigen Köder vor die Tür zu jagen. Hach, das wäre besser als alle Yogastunden dieser Welt!
Die Realität holte mich schneller zurück, als mir lieb war. Isabell schwang ihren makellosen Körper neben mich und schmunzelte mich an.
Gott, was wollte die denn jetzt von mir? Ich zog meine Mundwinkel zu einem gequälten Lächeln auseinander. Immerhin saß Hendrik am Tisch und freute sich, dass wir so gut miteinander konnten.
»Du bist Schauspielerin, hat Hendrik erzählt. Was hast du denn schon alles gespielt? Ich meine, du hast doch bestimmt schon mal in einer Serie mitgewirkt oder so.«
Ich schluckte. Bring sie um!, forderte die Stimme in mir. Tu es jetzt!
»Ach ja, als angehende Schauspielerin darf man in so einige Rollen schlüpfen«, versuchte ich mich aus der Affäre zu ziehen. Mir war klar, dass dieses Luder mich nur kleinmachen wollte, mich vor Hendrik bloßstellen und beweisen, dass ich ein Niemand war.
»Interessant. Und in welche so?«
Ich verspürte den Drang, an meinen Nägeln zu kauen, wie ich es früher immer getan hatte, wenn unser Mathelehrer mich ins Visier nahm. »Einige eben«, erwiderte ich.
»Rapunzel, kommst du mal eben«, rief Sarah aus dem Wohnzimmer und bewahrte mich vor weiteren Erklärungen. Aber in Isabells Augen tat sich schon die nächste Frage auf. Ihre Stirn runzelte sich, und in ihren Pupillen waren deutlich feuerspuckende Teufelchen zu erkennen, die mit ihrem Dreizack auf meinen Spitznamen losgingen. »Deine Schwester nennt dich Rapunzel?«, rief sie argwöhnisch hinterher.
Ich knuffte Sarah. »Plappermaul!«
Drei Tage später …
»Familienleben hatte ich mir anders vorgestellt«, grummelte ich vor mich hin, während ich Hendriks Brote schmierte. Sarah hockte im Wohnzimmer. Ihr Körper wippte im Takt von Lady Gaga. Links neben ihr schlummerte Füchschen. Er war der Sorgenfreieste in diesem Haus. Knuffelbär hingegen hatte alle Pfoten voll zu tun, Isabells Handtasche zu zerpflücken. Eine echte Prada, wohlgemerkt! Er bewies wahrlich Geschmack. Und das Allerschönste – keiner bemerkte es. Ein Schinkenbrot später tippelte die Kriegerprinzessin auf ihren High Heels die Treppe hinunter. Sie hatte doch tatsächlich nur ganze vierundvierzig Minuten gebraucht, um ihr Gesicht aufzupeppen. Ich schielte ins Wohnzimmer, wo Knuffelbär immer noch unter Einsatz seiner ganzen Kräfte mit dem Prada-Feind kämpfte.
Gleich passiert’s! Drei, zwei, eins …
Ein Schrei hallte durchs Haus, als Isabell ihre Handtasche erblickte. »Du Mistviech …!«, brüllte sie den halbwüchsigen Kater an. Dann trampelte sie wie ein kleines ungehorsames Kind, dessen Spielzeug man gerade zerbrochen hatte.
Ich schüttelte entsetzt den Kopf. Jedoch mehr über ihr Benehmen als über das neu designte Tragetäschchen, an dem das Nappaleder in Fetzen herunterhing. »Was ist denn
Weitere Kostenlose Bücher