Raum
gefällt der Frühstücksspeck.«
Er lacht, ich habe gar nicht gemerkt, dass ich schon wieder einen Witz gemacht habe. »Ich mag auch gern Frühstücksspeck. Zu gern.«
Wie kann man etwas zu gern mögen?
Ganz unten in dem Koffer entdecke ich kleine Püppchen, zum Beispiel einen Hund mit Flecken und einen Piraten und einen Mond und einen Jungen, der die Zunge rausstreckt, am liebsten habe ich den Hund.
»Jack, er fragt dich was.«
Ich gucke Ma nur an.
»Und was gefällt dir nicht so gut hier?«, fragt Dr. Clay.
»Dass die Personen immer gucken.«
»Hmm.«
Das sagt er oft anstatt Wörtern.
»Und so plötzliche Sachen.«
»Plötzliche Sachen? Was denn für welche?«
»Blitzige Sachen, die ganz schnell kommen«, erkläre ich ihm.
»Ah, verstehe. Die Welt ist plötzlicher, als uns beliebt.«
»Häh?«
»Entschuldigung, das ist aus einem Gedicht, das du nicht kennen kannst.« Dr. Clay grinst Ma an. »Jack, kannst du mal beschreiben, wo du warst, bevor du in die Klinik gekommen bist?«
Er ist nie in Raum gewesen, deshalb erzähle ich ihm alles von jedem Teil davon, was wir jeden Tag gemacht haben und so, und Ma sagt alles dabei, was ich vergesse. Dr. Clay hat auch so klebriges Zeug in allen Farben, das habe ich mal im Fernseher gesehen, wo wir noch sprechen, macht er damit Bälle und Würmer. Ich stecke meinen Finger in das Gelbe, danach ist was davon unter meinem Fingernagel, ich will nicht, dass der gelb ist.
»Hast du denn nie Knetgummi als Sonntagsgutti bekommen?«, fragt er.
»Es trocknet aus«, platzt Ma dazwischen. »Haben Sie daran schon mal gedacht? Selbst wenn man Knete immer ganz gewissenhaft wieder in den Plastikbecher zurückfüllt, wird sie irgendwann trotzdem zäh.«
»Da haben Sie wohl recht«, sagt Dr. Clay.
»Aus genau demselben Grund habe ich auch um Bunt- und Bleistifte gebeten und nicht um Filzstifte und um Stoffwindeln … lauter Sachen, die hielten, damit ich nicht eine Woche später schon wieder betteln musste.«
Er nickt und nickt.
»Wir haben Mehlteig benutzt, aber der war nun mal immer weiß.« Ma hört sich wütend an. »Glauben Sie etwa, ich hätte Jack nicht lieber jeden Tag Knete in einer anderen Farbe gegeben, wenn ich gekonnt hätte?«
Dr. Clay sagt Mas anderen Namen. »Niemand maßt sich irgendein Urteil über Ihre Alternativen und Entscheidungen an.«
»Jetzt hat Noreen mir erzählt, er wird besser, wenn man Salz und Mehl zu gleichen Teilen mischt. Wussten Sie das vielleicht? Ich bin ja noch nicht mal auf die Idee gekommen, nach Lebensmittelfarben zu fragen. Verdammt noch mal, wäre ich doch nur ein einziges Mal auf …«
Sie sagt Dr. Clay immer wieder, dass es ihr gut geht, aber anhören tut sie sich gar nicht gut. Sie und er reden über kognitive Distorsionen , sie machen eine Atemübung, ich spiele mit den Puppen. Dann ist unsere Zeit rum, weil er jetzt mit Hugo spielen muss.
»War der auch in einem Schuppen?«, frage ich.
Dr. Clay schüttelt den Kopf.
»Was ist ihm denn passiert?«
»Jeder hat so seine eigene Geschichte.«
Als wir wieder in unserem Raum sind, gehen Ma und ich ins Bett, und ich kriege ganz viel. Wegen dem Conditioner riecht sie immer noch falsch. Zu seidig.
Trotz des Mittagsschläfchens bin ich immer noch müde. Mir tropft es andauernd aus der Nase und auch aus den Augen, als wären sie innen drin am Schmelzen. Ma sagt, ich habe mir einfach nur meinen allerersten Schnupfen eingefangen, mehr nicht.
»Aber ich habe doch meine Maske aufgehabt.«
»Trotzdem, die Bazillen schleichen sich eben einfach rein. Bis morgen habe ich mich wahrscheinlich schon bei dir angesteckt.«
Ich weine. »Wir sind doch noch gar nicht mit Spielen fertig.«
Sie umarmt mich.
»Ich will noch nicht in den Himmel.«
»Ach, Schatz.« So hat Ma mich noch nie genannt. »Brauchst keine Angst zu haben, wenn wir krank werden, dann machen die Ärzte uns wieder gesund.«
»Will ich auch.«
»Was willst du?«
»Ich will, dass Dr. Clay mich sofort wieder gesund macht.«
»Ehrlich gesagt, einen Schnupfen kann der auch nicht kurieren.« Ma beißt sich auf die Lippen. »Aber in ein paar Tagen ist wieder alles vorbei, das verspreche ich dir. He, willst du mal lernen, wie man sich die Nase putzt?«
Ich muss nur viermal probieren, und als ich den ganzen Rotz in das Papiertaschentuch rauskriege, klatscht Ma in die Hände.
Noreen bringt das Mittagessen zu uns hoch, wir kriegen Suppe und Kebab und irgendwelchen Reis, der ist aber nicht in echt, sondern
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