Raumschiff 4 - Channa
daß ein weiblicher Partner kein gutes Rollenvorbild wäre. Meine
Kommunikationsschnittstellen laufen langsam heiß, aber ich weiß nicht, wie viele andere Leute im Jugendamt die gleichen Vorurteile hegen wie Dorgan. Ich empfände es als höchst bedauerlich, wenn Sie ein derartig ›hehres Opfer‹ für nichts und wieder nichts erbrächten. Gegen Miss Gorgon im
Dschungel der Bürokratie anzukämpfen wird uns vielleicht nicht gleich versteinern lassen, aber es könnte durchaus sein, daß unsere Gehirne danach taub wie Haferschleim sind.«
Channa schnalzte verächtlich. »Es ist ja nicht so, als hätte ich irgendein anderes Ziel vor mir.«
»Ich weiß, ich habe von Senalgal gehört. Tut mir leid, Channa. Ich weiß, wie das ist, einen Posten zu verlieren, für den man seine Seele verkaufen würde.«
Fragend hob sie die Augenbrauen. »Was war es denn bei
Ihnen, wenn ich fragen darf – eine Planetenstadt, ein Kundschafterschiff? Oder wollten Sie vielleicht so hoch hinaus, einen ganzen Planeten zu bekommen?«
»Eine Stadt habe ich schon, mehr oder weniger. Ganz
bestimmt kein Kundschafterschiff. Das Hirn-Partner—
Kundschafterschiff ist mir viel zu eng und beschränkt. Ich gehe gern mit vielen Leuten um. Ich genieße das Geben und
Nehmen verschiedenster Persönlichkeiten und Situationen. Da ist mir eine Station diesen Kalibers eine größere
Herausforderung, und ich liebe Herausforderungen.«
»Keine Stadt, kein Schiff. Dann haben Sie es also auf einen Planeten abgesehen?«
»Nein, soviel Verantwortung möchte ich nun auch wieder nicht tragen. Und außerdem ist mir das Planetenleben zu seßhaft. Aber ein Schiff sollte es schon sein, damit ich viel herumkommen kann.«
»Aha«, sagte sie und stellte die Verbindung zwischen seinen Freizeitinteressen und den einzigen Schiffsposten her, die darauf zutrafen, »also ein Kommandoschiff der Raummarine.«
Sie legte den Kopf schräg. »Stehen Sie denn schon auf der Warteliste?«
»Theoretisch ja. Ich habe mich beworben, und was habe ich bekommen? ›Sie sind viel zu wichtig dort, wo Sie sind‹«, begann er in monotonem Singsang, ›»Sie sind viel zu perfekt für Ihren gegenwärtigen Posten geeignet, es gibt niemanden sonst, der so gut für eine derart hochspezialisierte Situation ausgebildet ist.‹ Ich selbst habe«, fügte er wehmütig hinzu,
»SSS-900-C immer nur als Posten auf Zeit aufgefaßt.«
»Vierzig Jahre auf Zeit?«
»Für einen Hüllenmenschen? Durchaus.«
»Vielleicht passen wir ja doch nicht so schlecht zusammen.«
Channa hielt einen Augenblick inne, dann ergänzte sie in flapsigem Ton: »Mit Joat als Zuckerguß der Vereinbarung glaube ich nicht, daß ich es als ›hehres Opfer‹ sehen würde, länger hierzubleiben. Bäh! Einrichtung für Waisenkinder! Sie abholen? Wie irgendein Paket?« Channa spähte durch ihren Raum zu seiner Säule hinüber. »Meinen Sie, wir haben eine Chance, Dorgans Entscheidung rückgängig zu machen?«
Darauf hätte Simeon nicht unbedingt wetten mögen, aber er hatte die Angelegenheit ja auch erst in Angriff genommen.
Außerdem spürte er, wie sich tief in seinem Inneren etwas löste. »Mit einer Hirn-Partner-Verbindung haben wir durchaus eine Chance. Ich weiß Ihre Bereitschaft, sich darauf
einzulassen, wirklich sehr zu schätzen, Channa. Und nun, werte Dame, sollten Sie die Sache doch wohl einmal
überschlafen, nicht wahr?«
Sie seufzte. »Hm, aber ich finde keine Ruhe, und«, sie nestelte an einer Kante des Lesegeräts, »es gibt auch nichts, was ich gern lesen würde.«
»Dann«, sagte er und dämpfte sanft das Licht, »werde ich Ihnen ein Gedicht zur Nacht vorlesen. Machen Sie es sich gemütlich.« Er wartete ab, bis sie sich hingelegt und das Bettzeug und die Kissen gerichtet hatte, was er lächelnd mitansah. Dann fing er an: »Die wir mit Sängen deine
Pilgerfahrt verzaubern…« Ihre Augen schlossen sich, und langsam glitt sie in den Schlaf hinüber, während Simeon rezitierte.
»… sanft durch den stummen Schlag der Glocken auf
goldnem Pfad nach Samarkand.«
KAPITEL 5
Channa betrat den Saal und steuerte auf den Tisch und ihren morgendlichen Kaffee zu. Eine Schallwelle traf sie – ganz wie eine Woge, als würde sie in eine strudelnde jadegrüne Mauer stürzen, die sie ergriff und wieder dem Strand zuspülte.
Sie erkannte die Musik geradezu reflexhaft: es war der
»Triumphmarsch« aus Die Kaiserin von Ganymed von User.
Mit leisem Stirnrunzeln blieb sie stehen, als ihr auffiel, daß sie ihren Gang
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