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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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Mineralwasser.
    Anschließend ging ich auf mein Zimmer, schlüpfte aus meinen Schuhen und setzte mich mit dem Telefon aufs Bett.
    »Und, hast du’s gut getroffen?«, fragte CyberNel.
    »Dufte.«
    Sie kicherte. »Das sagt doch heutzutage kein Mensch mehr. Kann ich in der Zwischenzeit irgendetwas für dich tun?«
    »Nein, morgen reicht völlig. Ich fahre hier gleich nach dem Frühstück los.«
    »Vielleicht bin dann gerade mit Hanna zur Vorsorgeuntersuchung, aber geh ruhig an meinen Computer, wenn du etwas recherchieren willst. Ich bin mit dem Tollpatsch-Programm fertig. Du brauchst nur das Männchen anzuklicken.«
    »Ach, ich warte lieber auf dich.«
    »Wie fühlst du dich denn so?«
    »Wie in Tod eines Handlungsreisenden.«
    »Wie wär’s mit Telefonsex?«
    Ich schaute auf die Ziffern unten auf dem Fernseher. »Ich glaube nicht, dass du jetzt schon die richtige Reizwäsche anhast.«
    Wir alberten noch ein bisschen herum und ich sah sie an meinem Schreibtisch sitzen, eine kastanienbraune Locke um den Zeigefinger wickelnd. Corrie war schon nach Hause gegangen, Hanna schlief, draußen wurde es Nacht, alles war in Ordnung.
    Ich dachte an Zufall und an Glück und daran, wie leicht ich sie in dem planetarischen Supermarkt der Willkür hätte verpassen können, wenn mich mein Expartner Bart Simons damals nicht zu dieser Polizeiparty mitgeschleift hätte. Ich hätte genauso gut Nein sagen können. Ich hätte, angetrunken, wie ich war, über eine andere stolpern können. Nur Gott weiß, wie Glück beschaffen ist, wo es herkommt, wer die Portionen austeilt und bestimmt, wie groß oder klein sie sind. Erst viel später, hinterher, weiß man genau, dass dies die größte Portion und die einzige Chance war, dass es keine andere gab, keine einzige erdenkliche Gelegenheit, sich in den nächsten Jahren auf andere Weise kennen zu lernen. Auf unserem chaotischen Zeichentisch ändert jedes Fähnchen fortwährend Richtung, Gepäck und Ziel. Ein alter Germane tritt einen Schmetterling tot und tausend Jahre später begegne ich CyberNel.
    Ich weiß nicht, warum ich so unruhig wurde und finstere Schatten zu sehen begann, als versuche die Nacht, ins Zimmer einzudringen. Auf den Straßen war es ruhig geworden. Die roten Zahlen sagten, dass es immer noch halb zehn war. Mein Kulturbeutel lag im Badezimmer, wo ich mir die Zähne geputzt hatte. Mehr brauchte ich nicht in die Reisetasche zu packen.
    Während die Hotelwirtin darauf bestand, dass ich für das Zimmer trotzdem zahlen müsse, versuchte ich, mir mein Verhalten zu erklären. Mein Verstand sagte mir, es sei vernünftig, jetzt loszufahren, um die morgendliche Hauptverkehrszeit zu vermeiden. Mein Herz sagte, dass ich losfuhr, weil ich bei CyberNel sein wollte, und ich raste wie ein liebeskranker Romeo durch die Nacht, das Radio aufgedreht und ein Fenster geöffnet, um nicht einzuschlafen.
     
    Das erste Morgenlicht lag über den Obstplantagen von Nachbar Bokhof, als ich vom Deich abbog und den BMW hinunter in den Carport fuhr. Es war totenstill, aber als ich meine Reisetasche aus dem Kofferraum holte, sah ich eine Bewegung hinter dem niedrigen Fenster unseres Schlafzimmers. CyberNel mit ihren scharfen Sinnen und ihrem leichten Schlaf. Wenn sie allein war, hatte sie meistens ihre kleine Jennings-Pistole in Griffweite, aber jetzt sah ich nur ihre Hand, die mir zuwinkte.
    Ich schaute kurz zu Hanna hinein, die in ihrem Zimmer neben unserem lag. Sie schlief tief und fest, Unschuld und blonde Locken und das Gesicht eines Engels, den nass gelutschten Fuß ihrer Stoffpuppe dicht vor dem Mund auf dem kleinen Kissen.
    Dann hielt ich Nel in den Armen. Ich war todmüde und wäre beinahe sofort eingeschlafen, aber Sex ist der Urtrieb, der alle anderen Bedürfnisse und körperlichen Nöte außer dem Tod dominiert, laut Wissenschaft, weil er der Schlüssel zur Arterhaltung ist, laut Max Winter, weil man dadurch dem Menschen am allernächsten kommt, der dem eigenen Leben einen Sinn verleiht.
    In meinem Traum flüsterte sie, dass sie mit Hanna zum Arzt führe und ich weiterschlafen solle.
    In einem anderen Traum hörte ich einen Staubsauger und Klopfen an einer Glasscheibe. Meine Hand tastete über eine Fläche, die so kalt und weit schien wie Sibirien.
    Corrie schaute zur Tür herein. »Sorry, Meneer, könnten Sie bitte sofort kommen?« Sie redete mich beharrlich mit »Meneer« an, nie mit meinem Vornamen, obwohl sie vor über einem Jahr vom Babysitter zur Ganztags-Haushaltshilfe aufgestiegen war. Unten

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