Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
Vom Netzwerk:
summte pfeifend der Staubsauger, der nur leere Luft einsaugte, weil sie ihn einfach hatte fallen lassen, ohne sich die Sekunde Zeit zu nehmen, ihn auszuschalten. Ich wollte sie etwas fragen, aber Corrie war schon weg und kurz darauf schwieg der Staubsauger.
    Ich schlüpfte in meine Hose, bückte mich und schaute zum Fenster hinaus. Eine Frau in Polizeiuniform und ein Mann in Zivil standen auf der Terrasse und schauten hinaus auf den Garten. Ich erkannte die hoch gewachsene, etwas gebeugte Gestalt des Kripo-Brigadiers Marcus Kemming. Er hatte damals die Ermittlungen im Mord an meiner Nachbarin geleitet und unsere Bekanntschaft hatte ziemlich unterkühlt begonnen, weil er unter anderem mich verdächtigte. Später lud er mich zum Kaffee ein und ich ihn zum Essen, und es stellte sich heraus, dass wir uns durchaus sympathisch waren.
    »Warum hast du sie nicht hereingebeten?«, fragte ich Corrie, als ich hinunterkam. Corrie stand neben der Badezimmertür und sagte nichts, nicht mal ihr übliches »Sorry«, als sei sie gelähmt durch den Anblick der Polizeiuniform.
    Ich öffnete die Glasschiebetür. »Guten Morgen«, sagte ich. »Tag, Marcus.«
    Der Blitz traf mich, noch bevor ich ihre Gesichter sah. Ich hatte tausendmal genau wie Kemming vor einer Tür gestanden, begleitet von einem Kollegen, und einen Text aufsagen müssen, der mir widerstrebte. Das Blut wich mir aus dem Gesicht und ich musste mich am Türrahmen festhalten, weil mir die Beine wegknickten. »O Gott.« Als hätte der mir noch helfen können.
    »Max«, sagte Marcus.
    Die Polizistin fasste mich am Ellenbogen. »Kommen Sie, setzen Sie sich.«
    Ich taumelte rückwärts, bis ich mit den Waden gegen den Absatz des erhöhten Wohnzimmers stieß und unsanft auf den Fliesen landete. Die Polizistin hielt mich am Arm fest.
    Die Tür schnappte zu. Marcus hockte sich vor mich. »Max«, sagte er. »Nel hatte einen Unfall.«
    Ich sah es seinen Augen an. Sie wären nicht hier, wenn sie nur verletzt wäre. »Hanna?«
    Er schüttelte den Kopf. »Alle beide.«
    »Bitte lassen Sie mich.«
    Die Polizistin ließ meinen Arm los. Ich verbarg das Gesicht in den Händen. Ich fühlte nichts, ich dachte nichts, es gab nur Leere. Die Zeit stand still.
    Sie standen vor der Glasscheibe. Ich musste zu ihnen aufblicken. Jemand sagte: »Okay.« Ich erkannte, dass das meine eigene Stimme war.
    »Ich kann später nochmal wiederkommen«, bot Marcus an.
    »Nein.«
    Er half mir auf. Ich war unsicher auf den Beinen. Sie setzten mich aufs Sofa, vor den stummen Fernseher und den kalten Kamin. Corrie war nirgendwo zu sehen. Die Polizistin fragte, ob ich ein Glas Wasser wollte. Marcus ging an den Schrank und schenkte mir ein Glas Cognac ein. Ich hielt es in der Hand.
    »Trink«, sagte er.
    Das Zeug brannte mir im Hals, ich schmeckte nichts. Die Polizistin stand neben dem Kasten mit den Grünpflanzen, Marcus saß auf dem halbrunden Sofa.
    Ich nickte ihm zu.
    »Ein alter Mann in einem Mercedes hatte einen Herzinfarkt und stieß frontal mit ihnen zusammen. Keiner fuhr schnell, aber es sind dann eben zweimal sechzig oder zweimal siebzig … Sie waren sofort tot.«
    Das Wort war heraus.
    Mir kamen nicht die Tränen, ich empfand keine Wut, nichts, nur diese Distanz, Gehirn und Muskeln waren wie ferngesteuert.
    »Wo?«
    »Bei Tricht, auf der Straße nach Geldermalsen.«
    Sie war mit Hanna unterwegs zu Doktor Wiechert, zu einer Vorsorgeuntersuchung. »Sind sie in Geldermalsen?«
    Er nickte und gab mir zu verstehen, dass ich noch nicht zu ihnen konnte.
    »Danke, Marcus«, sagte ich.
    Er stand auf. »Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    »Nein danke, ich schaff das schon.«
    Sie lösten sich im Sonnenlicht auf. Ich wusste, wie sie sich fühlten. Es war die schlimmste Aufgabe von allen und sie waren froh, dass sie sie hinter sich hatten.
    Corrie kam aus der Küche und fiel mir schluchzend in die Arme. Ich klopfte ihr auf die Schulter, ein schüchternes Fohlen, das schon irgendwie zur Familie gehörte. Ich konnte nichts für sie tun und sie konnte nichts für mich tun. »Geh jetzt am besten nach Hause«, sagte ich.
    Sie flüchtete.
    Ich musste einige Dinge regeln. Ihre Eltern.
    Meulendijk anrufen und ihm sagen, dass ich den Auftrag nicht ausführen konnte.
    Nels Eltern konnte ich noch nicht anrufen. Später vielleicht.
     
    Wie ein Roboter erledigte ich die Gespräche, Telefonate, und tat, was ich tun musste. Ich wählte einen Weidenkorb, für beide zusammen. Man nahm es stirnrunzelnd auf, als ich sagte, sie

Weitere Kostenlose Bücher