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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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verdanken hatte.
    Sie war stolz auf ihre Tochter, aber sie wusste auch, dass das Gymnasium mich ihr entfremden würde. Ich würde ihr entwachsen. Davor hatte sie Angst. Wie oft habe ich mir anhören müssen, es sei keine Schande, auf die Hauptschule ins Dorf zurückzukehren. In der 10. Klasse wollte sie mir einreden, dass Büroarbeit ideal für mich sei. Büros seien doch heute so sauber, ich würde mich da sicher wohlfühlen.
    »Ich werde studieren, Mama.«
    »Ach Kind, versündige dich nicht.«
    Rückwirkend betrachtet hat es mir geholfen, schon früh ganz auf mich gestellt gewesen zu sein. Es brachte mir Disziplin bei. Aus unserem Dorf gingen neun Kinder in die Schule in der Stadt. Die Lehrer mochten uns nicht. Wir waren Bauerntrampel für sie. Immer mussten wir vortreten, die mündlichen Prüfungen vor der Klasse waren quälend. Sarkastische Bemerkungen, die uns sturmreif schießen sollten. Fünf von uns gingen wieder zurück ins Dorf auf die Hauptschule, darunter Edith, damals meine beste Freundin.
    Drei Tage habe ich geheult. Aber nur am Nachmittag. Keiner der Lehrer sollte eine Träne von mir sehen. Nur den erhobenen Kopf.

    Ein Trost war die katholische Jugendgemeinde. Wir haben Kinderfreizeiten organisiert, besuchten den Speyerer Dom, pilgerten zum Heiligen Rock nach Trier, eine Woche lang befassten wir uns mit den verschmutzten Flüssenunserer Umgebung, der Lahn, der Mosel, der Nahe und dem Rhein. Wir schrieben Wandzeitungen über die bedrohten Fischarten und verfassten einen Antrag an die Hauptversammlung des Bundes der Katholischen Jugend. Es war Demokratie im Kleinen und vor allem die einzige Gelegenheit, bei der sich die Jugendlichen im Dorf treffen konnten. Es gefiel mir.
    Bis der Weihbischof kam.
    Er habe unseren Antrag an die Hauptversammlung zum Umweltschutz gelesen. Das sei ein marxistischer Text. Er fragte, wer den verfasst habe. Zögernd streckten Edith und ich die Hände in die Höhe.
    »Nein«, sagte der Weihbischof, »wer diesen Text wirklich geschrieben hat. Ihr seid doch nur vorgeschickt.«
    »Niemand. Wir haben uns das alles selbst überlegt.« Und wir erzählten ihm von dem vielen Müll und den Giften, die in die Lahn gekippt werden.
    Der Weihbischof seufzte und sagte, wir dürften die marxistischen Rädelsführer nicht decken. Und den Antrag müssten wir zurückziehen.
    Wir sahen es nicht ein.
    Und taten es doch.

    Bei uns zu Hause war es immer so, dass Mutter und ich die Hausarbeit erledigten. Immer. Nur wir beide. Mama hat gekocht, nach dem Essen hat sie das Geschirr gespült, und ich habe abgetrocknet. Ich habe ihr geholfen, die Wäsche auf- und abzuhängen. Ich kann mich nicht erinnern, dass Vater oder einer meiner Brüder jemals gekocht oder abgewaschen oder Wäsche gebügelt oder irgendetwas Nützliches im Haushalt getan hätten. Das ist immer so gewesen, aber was mich wirklich zur Weißglut brachte, war, dass ich dasZimmer meiner beiden Brüder aufzuräumen hatte. Sie lagen auf ihren Betten und lasen, während ich ihre Socken aufhob, den Boden wischte und ihre versifften Leintücher in die Waschmaschine stopfte.
    »Ich putze euer Zimmer nicht mehr!«
    »Kind, du versündigst dich«, sagte meine Mutter.
    Joachim, der Ältere, rannte zur Kirche und kam mit einer Handvoll Broschüren zurück, die anhand von irgendwelchen Affenhorden beweisen sollten, dass Mann und Frau verschieden seien und daher auch unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen haben. Ich zeigte ihm einen Vogel.
    »Kind, wenn du es nicht machst, muss ich auch noch das Zimmer der Buben putzen.«
    Also putzte ich weiter das Zimmer meiner Brüder, der Mama zuliebe. Joachim feixte. »Vergiss die Ecken nicht, Schwesterlein.« Ich schäme mich bis heute dafür.

    Alles änderte sich an dem Tag, als ich mittags von der Schule nach Hause kam und meine Mutter zum ersten Mal nicht mit dem Essen auf mich wartete. Sie war nicht da. Sie hatte keinen Zettel geschrieben. Ich suchte sie im Wohnzimmer, ich suchte sie im Schlafzimmer, ich suchte sie im Garten und in der Waschküche – vergebens. Dann kam die Nachbarin angerannt. Mutter sei in Koblenz, der Vater habe einen Unfall gehabt, auf der Arbeit, man habe ihn in die Klinik gebracht.
    Am Abend kam sie müde zurück. Vater hatte Paletten mit Gläsern verladen, eine Palette sei vom Gabelstapler gestürzt. Gott sei Dank nur auf den Fuß. Aber der sei völlig vermatscht. Ratlos sah sie mich an. »Der Herr prüft die Gerechten. Was soll jetzt aus uns werden?«
    Ein Bruder meines Vaters,

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