Rebellin der Leidenschaft
ignorieren und nichts zu sagen. Sie hatte gelernt, ihren Ehemann nicht nur zu meiden, sondern ihn auch nicht mehr zu kritisieren. Außerdem wussten ohnehin längst alle, dass Francis nichts weiter war als ein alkoholsüchtiger Taugenichts.
In jenen Tagen besuchte sie einmal ihr Vater ohne Lady Claire. Roger wollte sie trösten, doch Isobel empfing ihn kühl. Er hatte in den vergangenen Jahren eine neue Familie gegründet; Claire hatte ihm zwei Söhne geboren. Isobel hatte ihn kaum zu Gesicht bekommen, und er schien sie auch nicht mehr zu lieben. Sie fühlte sich sehr von ihm verletzt.
»Ich weiß, wie gern du Jonathan hattest«, sagte Roger kummervoll, denn auch er hatte mit ihm einen guten Freund verloren. »Auch ich werde ihn vermissen.«
Es war Isobel immer vorgekommen, als sei er unsterblich, aber plötzlich sah sie ihn als einen Mann im fortgeschrittenen Alter. Plötzlich erkannte sie, dass er nicht viel jünger war, als es der Herzog von Clayborough gewesen war - und der Herzog war bereits verstorben. Furcht überkam sie; was auch immer geschehen war, seit er diese Frau geheiratet hatte, er war ihr Vater -und sie liebte ihn. »Vater, wir müssen mehr Zeit miteinander verbringen«, erklärte sie bestimmt.
Er reagierte freudig überrascht. »Ich werde immer gern Zeit für dich erübrigen, Liebes«, sagte er. »Aber du bist ja ständig so beschäftigt.«
»Ich! Sie sind doch ständig mit Claire und den Jungen zusammen.«
»Seit deiner Heirat habe ich dich mehrmals eingeladen, uns in London oder auch auf dem Land zu besuchen - aber du hast immer abgelehnt. Doch ich weiß, du und Francis, ihr geht getrennte Wege. Ich war der Annahme, du hättest so viele gesellschaftliche Verpflichtungen, dass du für deinen Vater keine Zeit erübrigen kannst.«
Isobel erkannte erschreckt, dass auch er gekränkt war. Sie lehnte sich an ihn, und er schloss sie in die Arme. »Ich dachte, Sie seien zu beschäftigt, um für mich Zeit zu haben«, murmelte sie. »Offenbar haben wir uns gründlich missverstanden.«
Sie begann, seine Einladungen anzunehmen, und stellte schon bald fest, dass sie ihre Halbbrüder innig liebte. Und auch Claire tat, was sie konnte, um die Freundschaft mit ihr zu fördern. Isobels Vater fand immer etwas Zeit, die er nur mit ihr verbrachte. Sie erkannte, dass sie einfach nur ein dummes junges Mädchen gewesen war, als sie sich vor Jahren von ihm abwandte. Es war offenkundig, dass er mit Claire sehr glücklich war und dass er seine Söhne anbetete. Isobel freute sich für ihn.
Sechs Monate darauf klopfte der erste von Francis’ Gläubigern an ihre Tür. Er war extrem nervös und entschuldigte sich mehrmals, aber er hatte eine Rechnung dabei, die vor vier Monaten fällig geworden war - über zwanzigtausend Pfund. Isobel war schockiert. Sie vertröstete den Mann, doch als sie es Francis erzählte, meinte er lediglich, sie solle sich um ihren eigenen Sachen kümmern. Im folgenden Monat erschienen einige weitere Gläubiger. Isobel bezahlte keinen von ihnen, sondern verwies sie alle an ihren Gatten, der sie aber mit großem Geschick zu meiden wusste. Der Betrag, den Francis offenbar inzwischen schuldete, belief sich auf erstaunliche hunderttausend Pfund.
Schließlich teilte er ihr mit, er habe das Geld nicht.
Die Gläubiger blieben ihr auf den Fersen. Francis lachte nur darüber und tat die ganze Affäre mit einem Achselzucken ab -bis einer der Gläubiger drohte, ihn vor Gericht zu bringen. Isobel hasste Francis, doch das konnte sie nicht zulassen. Also verpfändete sie ihren Familienschmuck.
Entnervt von den Geschehnissen beschloss Isobel, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Sie begann heimlich Francis’ Schreibtisch zu durchsuchen. Zu ihrem Entsetzen fand sie eine Menge unbezahlter Rechnungen, bei denen jedoch die verschiedenen Güter als Schuldner eingetragen waren. Mehrere Verwalter der Pachtgüter von Clayborough waren in letzter Zeit gekommen und hatten Geld gefordert, doch auch diese hatte sie vertröstet. Nun machte Isobel den Verwalter ihres Stammsitzes ausfindig und ließ sich von ihm alles genau erklären. Sie erfuhr, dass jedes der Pachtgüter und Anwesen der Clayboroughs einen eigenen Administrator hatte, dass diese Männer aber nur mit den Tagesgeschäften befasst waren; die eigentliche Verwaltung und die Finanzen hingegen seien ausschließlich Sache des Herzogs. Jonathan war nun schon seit neun Monaten tot, und Francis war seinen Verpflichtungen bislang nicht nachgekommen. Isobel war
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