Rechtsdruck
Deutschland auf dem Index standen. Mehr und mehr allerdings
war er bei den Ego-Shooter-Spielen hängengeblieben, die ihn mit ihrem Anspruch und
ihren Möglichkeiten faszinierten. Er hatte an Conventions teilgenommen und sich
mit anderen gemessen, meist in den Vereinigten Staaten, und er hatte dabei immer
wieder festgestellt, dass die Lust am Töten Besitz von ihm ergriffen hatte. Er liebte
es, seine imaginären Feinde und Gegner zu eliminieren, und er war besessen davon,
sie auf jede erdenkliche Weise zu quälen und zu demütigen, bevor er ihnen den endgültigen
Todesstoß versetzte.
Mehr und mehr hatte sich in seinem Kopf der Unterschied zwischen der
Wirklichkeit und den durchwachten Nächten vor dem Computer vermischt, und irgendwann
hatte er sich bei der Vorstellung ertappt, einen Menschen zu töten. Mit echten Schmerzen
und dem Geruch von Blut und Panik. Zunächst kanalisierte er diese Fantasien im Konsum
von Snuffvideos, die reale Tötungsszenen zeigten, doch auch das befriedigte ihn
irgendwann nicht mehr. Er wollte es ausprobieren, er wollte wissen, wie es sich
anfühlte, einen Menschen zu töten, hatte tausendmal und mit immer neuen Ideen durchgespielt,
wie er es machen würde.
*
Hain rollte auf die Kreuzung zu, von der die steile Sackgasse abging,
an dessen Ende sich Weilers Haus befand, und winkte ab.
»Wenn wir da runterfahren«, meinte er mit Blick auf die schneebedeckte
Straßenoberfläche, »haben wir alle Chancen, einen Abschlepper zu brauchen, wenn
wir wieder raus wollen. Am besten parken wir hier oben und gehen die letzten Meter
zu Fuß.«
»Meinetwegen«, erwiderte Lenz.
»Mondän, würde ich sagen«, meinte Hain kurze Zeit später beim Blick
auf das Grundstück und das Haus des Geschäftsmannes.
»Allerdings«, stimmte Lenz ihm zu. »Das Anwesen hat wahrscheinlich
mehr gekostet, als wir armen Beamten jemals in unserem ganzen Leben verdienen werden,
Thilo.«
Sie stiegen aus und traten auf das große, schmiedeeiserne Tor zu. Eine
mitschwenkende Kamera über ihren Köpfen begleitete sie dabei. Lenz legte den Finger
auf den messingfarbenen Klingelknopf und trat einen Schritt zurück.
Nach ein paar Sekunden meldete sich eine Männerstimme über die Sprechanlage.
»Ja, bitte?«
»Wir sind von der Kriminalpolizei und würden gerne mit Herrn Weiler
sprechen.«
»Worum geht es?«
Lenz hob den Kopf und lächelte in die Kamera. »Sind Sie es selbst,
Herr Weiler?«
»Nein, äh, ja, natürlich bin ich es selbst. Wen erwarten Sie denn,
meinen Rhesusaffen?«
Hain warf seinem Chef einen erstaunten Blick zu.
»Nein, Herr Weiler«, sprach Lenz süffisant in das Mikrofon vor seiner
Nase, »einen solchen haben wir nicht erwartet. Wir würden Ihnen gerne ein paar Fragen
stellen zu einem Vorgang von vergangener Woche.«
»Muss das unbedingt jetzt sein? Ich bin gerade in einer Konferenz.«
»Es wäre uns ein großes Anliegen, ja.« Die Stimme des Kommissars hatte
sich um keinen Iota verändert.
»Und wenn ich nein sage?«
»Dann würden wir uns fragen, warum Sie das tun.«
Ohne weiteres Wort aus dem Lautsprecher wurde der Türöffner gedrückt
und das Tor fuhr automatisch nach innen. Die Polizisten gingen über eine weite,
schneebedeckte Fläche, auf der Reifenabdrücke zu erkennen waren, zum Hauseingang.
Dort wurden sie von einem finster dreinblickenden Mann im dunkelblauen Zweireiher
erwartet, der allerdings keine Anstalten machte, sie ins Haus zu bitten.
»Wenn es Ihnen recht ist, klären wir die Sache hier an der Tür«, eröffnete
er den Beamten.
»Es kann aber etwas Zeit in Anspruch nehmen, Herr Weiler«, gab Lenz
freundlich zurück, und stellte sich und seinen Kollegen mit jeweils gezückten Dienstausweisen
vor.
»Das ist mir egal«, schleuderte ihm der Mann in der Tür unfreundlich
entgegen. »Was wollen Sie von mir?«
Der Hauptkommissar steckte die kleine Plastikkarte zurück in die Innentasche
seiner Jacke und sah Weiler fest in die Augen. »Es geht um einen Vorgang, der sich
in Ziegenhain abgespielt haben soll. Sie haben einen gewissen Gerold Schmitt dort
im Krankenhaus besucht. Ist das richtig?«
Weiler nahm den Kopf zurück und knabberte auf der Unterlippe. Es dauerte
eine Weile, bis er antwortete.
»Na und, ist das vielleicht ein Verbrechen?«
»Nein, das nicht, aber es wäre uns daran gelegen, wenn Sie uns erklären
würden, in welchem Verhältnis Sie zu Herrn Schmitt stehen.«
Weiler sah von einem Polizisten zum anderen. »Warum interessiert Sie
das?«
»Weil Herr
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