Religionen der Menschheit – Das EBook Weltreligionen sciebooks.de (German Edition)
(oft: rotes) Pulver über Anwesende verstreut, das Leben und Fruchtbarkeit verheißen soll.
Hinzu kommen zahlreiche weitere Feste wie Rathayatra („Wagenfest“), in dem Götterstatuen auf prachtvollen Wagen um die Tempel ziehen, oder Rakhi , das die Verbundenheit zwischen Geschwistern feiert. Neben den bereits genannten Gottheiten haben auch andere populäre Götter wie Ganesha oft eigene Rituale, Tempel und Jahresf este. Alle sechs Jahre findet zudem aufgrund von Sternenkonstellationen ein Kumbh Mela („Pilgerfest“) statt, in dem ein Bad im heiligen Fluss Ganges mit besonderer Sündenvergebung verbunden wird. 2007 sollen bis zu 70 Millionen (!) Pilger aus aller Welt an Kumbh Mela teilgenommen haben.
Gebote
Auch in Fragen der Verhaltens-, Speise- und Kleidungsgebote gibt es keine einheitlichen Vorschriften des Hinduismus. So legen einige Traditionen den Verzicht auf Fleisch nahe, andere verbieten nur bestimmte Tiere (z.B. Kühe) und die meisten Traditionen kennen zusätzliche Ge- und Verbote sowie Gelübde , die verbindlich Glaubende freiwillig auf sich nehmen können.
Häufig unterscheiden sich die traditionellen Gebote nach Geschlecht und Lebensalter und zielen darauf ab, stabile, kinderreiche Familien zu begründen . Die Teilnahme an Gemeinschaftsritualen und –festen verheißt regelmäßig gutes Karma. Mildtätigkeit gegenüber Geistlichen wie auch Bedürftigen gilt ebenfalls als verdienstvoll und wird von einigen Traditionen als „Gottesdienst“ gewürdigt. Vor allem Männern steht neben den Möglichkeiten eines lebenslangen Ordenslebens als Sadhu (als Asket oder in Gemeinschaft lebender Mönch) zudem die Möglichkeit offen, als Ältere nach Abschluss ihrer Familienpflichten allem Wohlstand zu entsagen und zu geachteten Sadhus oder noch strengeren, manchmal nackten Sannyasins (Entsagenden) zu werden. Durch Opfergaben an Sadhus und Sannyasins haben nach hinduistischem Glauben auch weltlich Lebende Anteil an deren täglichem, segensreichem Bemühen um die letztlich universelle Erkenntnis und Erlösung.
4.5 Die Null und der Rosenkranz als Geschenke des Hinduismus
Bei den Zeichen, die Sie gerade lesen, handelt es sich um über Computersysteme mehrfach umgewandelte Zahlen. Die Mathematik, die unsere modernen Naturwissenschaften und Technologien einschließlich der Computer erst möglich machten, basiert auch auf einer geheimnisvollen Zahl, die in Europa bis ins Mittelalter hinein unbekannt, sogar gefürchtet war: Die Null.
Es waren indische Gelehrte, geübt im komplexen, hinduistischen Denken, die vor anderthalb oder zwei Jahrtausenden begannen, mit einem Kreis die sunya („Leere“) auszuschreiben und anzuwenden. Von dort ging sie später in die islamische Welt ein und wurde Bestandteil der „arabischen Ziffern“, die heute zur Grundlage der weltweiten Mathematik geworden sind.
In Europa trafen die arabischen Ziffern und ganz besonders die „Null“ zunächst auf massive Gegenwehr. Vielen galt es als teuflisch, mit den Zahlen der Muslime zu arbeiten – oder gar mit „Nichts“ zu rechnen. Andererseits hatten die klassischen, lateinischen Ziffern längst die Grenzen ihrer Anwendbarkeit erreicht. Vor allem interkulturell tätige Kaufleute und Mathematiker wie der in Pisa geborene und in Algerien aufgewachsene Kaufmannssohn Leonardo Fibonacci (1180 – 1241) setzten schließlich das indisch-arabische Ziffernsystem einschließlich der Null auch in Europa durch.
Auch die im katholischen Christentum als „Rosenkranz“ bekannte Gebetskette mit Gebetsperlen geht auf indisch-hinduistische Vorläufer zurück und breitete sich auch mit dem Buddhismus aus . In der i slamischen Welt wurde s ie als tasbih zu einem traditionellen Gegenstand religiöser Zählung und ist ab dem 11. Jahrhundert n.Chr. im christlichen Europa belegt. Auch spätere Religionen wie die Sikhs und Bahai haben unterschiedlichste Formen von Gebetsketten ausgeprägt. Nur in der jüdischen Tradition, die sowohl gegenüber Christen wie Muslimen als Minderheit auf Wahrung ihrer Identität angewiesen war, fanden Gebetsketten keine allgemeine Aufnahme.
In der modernen Erkenntnistheorie stellen sowohl die Entdeckungen der Mathematik wie auch die Gleichförmigkeit religiöser Erfahrungen in verschiedenen Kulturen interessante Befunde dar, die noch gar nicht umfassend verstanden sind. Wir können uns beispielsweise fragen: War und ist die Menschheit auf kulturell-gedankliche Vielfalt angewiesen, um Entdeckungen schneller (oder überhaupt?)
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