Remember
knurrte George.
»Laber nicht so viel. Ich brauch meinen Schönheitsschlaf.«
Eric lauschte dem Klang der Wellen, die leise ans Boot schwappten, und dachte an Annabel und Michael. Nicht, weil er sich ernsthaft Sorgen machte. Wenn jemand auf sich aufpassen konnte, dann sie. Aber ihm war nicht entgangen, wie Michael Annabel angeschaut hatte, vorhin an der Mauer. Dieser Blick hatte wirklich Bände gesprochen. Er seufzte.
Er selbst hatte bisher noch keinen richtigen Freund gehabt. Ein verstohlener Kuss in der Umkleidekabine des Freibades war bisher das höchste der Gefühle gewesen. Und den Typen hatte er noch nicht einmal wirklich gemocht. Er hatte immer gedacht, dass er noch genug Zeit haben würde, um sich zu verlieben, so mit Herzklopfen, Schmetterlingen im Bauch und feuchten Händen. Doch was, wenn nicht?
Als Eric kurz vor dem Einschlafen war und das Boot sanft auf dem Wasser schaukelte, versuchte er, sich vorzustellen, wie er als Kind von seinen Eltern in den Schlaf gewiegt wurde. Und weil er sich an sie nicht mehr erinnern konnte, stellte er sie sich als John Steed und Emma Peel aus seiner Lieblingsserie Mit Schirm, Charme und Melone vor; in einer schwarzen, lässigeren Version, versteht sich. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er ein.
George stand allein zwischen den Brunnen des Trafalgar Squares und blickte auf die National Gallery. Der Himmel war grau und dunkle Wolken zogen schnell wie im Zeitraffer über ihn hinweg. Es war totenstill.
Doch dann begann es.
Zuerst war es nur ein gedämpftes Rauschen. Wie ein pulsierender Windzug, der durch Baumkronen streicht. Es drang zwischen den Säulen der National Gallery hervor und es schien, als würde das Haus aufgeregt atmen.
Dann veränderte sich der Ton.
Aus dem Rauschen wurde ein Flüstern… das Flüstern schwoll an zu einem Jammern… und das Jammern mutierte zu einem markerschütternden schrillen Schrei, der tausend Kehlen gleichzeitig zu entspringen schien.
George hielt sich die Ohren zu und sah voller Entsetzen, wie das Haus begann, einen schleimigen Strom von Menschen zu gebären. Er quoll zwischen den Säulen hervor und schwappte über die breite Treppe auf den Platz wie ein Fang glitschiger Fische, die aus einem prall gefüllten Netz auf ein Schiffsdeck klatschten.
Vor Georges Füßen kam der Strom zuckender Leiber zum Erliegen und der Schrei verstummte.
Mit ungelenken, fahrigen Bewegungen richteten sich die Menschen auf und befreiten sich von dem Schleim. George schloss angeekelt die Augen.
Als er sie wieder öffnete, schien die Sonne, die Wolken hatten sich verzogen und der Platz war bevölkert von fröhlichen, schleimlosen Menschen.
Schon von Weitem sah er, wie ein junges Paar mit Kinderwagen direkt auf ihn zuhielt. Eine kleine, glückliche Familie.
Sie kamen näher und er betete, dass sie an ihm vorbeifahren würden. Nur dieses eine Mal. Als sie nur noch zwei Meter von ihm entfernt waren, fuchtelte George mit den Armen und versuchte, schreiend auf sich aufmerksam zu machen. Es kam kein einziger Laut über seine Lippen.
George weinte. Er hörte auf, sich zu wehren, und ließ es geschehen. Mit leerem Blick sah er, wie der Mann mit dem Kinderwagen direkt durch ihn hindurchging. Und die schreckliche Kälte, die er dabei empfand, kroch bis in die hinterste Ecke seiner Seele und ließ sie zu Eis erstarren.
Wach auf, George! Wach auf! Verzweifelt versuchte er, die Kälte und den Traum von sich abzuschütteln. Er kniff sich in den Arm, in der Hoffnung, davon aufzuwachen, doch nichts half.
Auf der Treppe vor der Gallery tauchten vertraute Gesichter auf. Annabel, Michael und Eric liefen plaudernd und lachend die Treppe hinunter und auf ihn zu.
Holt mich hier raus! Bitte, rettet mich!
Sie kamen näher und George hoffte, dass sie ihn diesmal sehen konnten. Ja, er war überzeugt davon, dass Annabels Blick nicht einfach durch ihn hindurchging.
Er fasste neuen Mut, wischte sich die Tränen von den Wangen, winkte den dreien zu und ging ihnen mit einem hoffnungsvollen Lächeln entgegen. Nur noch wenige Meter trennten sie. Doch die drei verlangsamten ihre Schritte nicht. George schrie ihre Namen. Vergeblich. Seine Stimme versagte und das Lächeln auf seinem Gesicht erstarb. Er sackte auf die Knie, als Annabel lachend durch ihn hindurchging.
»Hey, George, alles in Ordnung?«
George fuhr hoch. Er schaute sich um, brauchte ein paar Sekunden, um sich zu orientieren und zu erkennen, dass er wach war. Dann kehrte alles zurück. Die Flucht, die
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