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Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug

Titel: Remes, Ilkka - 2 - Hochzeitsflug
Autoren: Ilkka Remes
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auch zwischenmenschliche Beziehungen auf Chemie und Biologie reduzieren?« Christian lachte auf und konzentrierte sich dann auf eine Haarnadelkurve, hinter der sich ein senkrechter Abgrund auftat. Die Straße führte nun steil bergab. Rebecca sah aus dem Seitenfenster und umklammerte den Sicherheitsgurt. »Kannst du noch fahren? Ich könnte dich ablösen ...«
    »Nein, es geht schon«, sagte Christian schnell.
    Als sie den Ford mieteten, hatten sie sich erkundigt, ob es riskant war, in der Nacht das Gebirge zu überqueren, und die mürrische Angestellte hatte Rehe und andere Tiere als größte Gefahren genannt. Dennoch wurde Christian das Gefühl nicht los, dass man in dieser Gegend durchaus das Opfer von Straßenräubern werden könnte. In seiner Tasche brannten tausend D-Mark, die er am Flughafen aus dem Automaten gezogen hatte. Montenegro hatte die D-Mark als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Auf einem Aussichtsplatz neben der Straße stand ein riesiges Denkmal von Tito, dessen Blick auf den Horizont der Adria gerichtet war. Ein eckiger Lada, mit Tarnmuster besprüht, überholte sie. Christian schaute misstrauisch den Rücklichtern nach, von denen eines nicht brannte. Die Atmosphäre der Umgebung erschien ihm auf beklemmende Weise unwirklich. Ihm gingen Nachrichten von Massakern, Vergewaltigungen, ethnischen Säuberungen und Massengräbern durch den Kopf.
    Massengräber. Eines davon befand sich nun vor ihnen an der Küste.
    Die Straße führte durch ein kleines Dorf inmitten verwilderter Olivenhaine und Weinstöcke. Als die Abfahrt weniger steil wurde und sie sich endlich dem Ufer näherten, lebte Christian auf. Rebecca schien es ebenso zu gehen. Aus der Nähe betrachtet, sah das tintenschwarze Meer allerdings noch unheilvoller aus. Sie fuhren an einem Haus vorbei, das dem salzigen Seewind überlassen worden war.
    »Hoffentlich finden wir ein Hotel.«
    Beide versanken in ihre eigenen Gedanken. Die Uferstraße, die auf der Karte mit dem romantischen Namen Jadranska magistrala verzeichnet war, folgte den Biegungen der Küstenlinie. Dörfer und Sandstrände belebten den schmalen Landstreifen am Fuße der Berge, gegen den die Wellen brandeten. Je weiter sie nach unten fuhren, umso abgeschiedener wirkte dieser Winkel der Welt.
    »Bist du sicher, dass wir auf der richtigen Straße sind?«, fragte Christian müde und besorgt. Er hielt nach Straßenschildern Ausschau, die jedoch nicht besonders häufig waren.
    »Nur weiter geradeaus.«
    Erste Regentropfen fielen auf die Windschutzscheibe, aber das zu erwartende Gewitter setzte nicht ein. Es blieb schwül. Christian wollte schon wieder auf die Hauptstraße zurückkehren, als sich am Fuß von Geröllhängen die Landschaft zum Meer hin weitete und sie endlich Pjevac erreichten. Um diese Zeit in der Nacht brannte in keinem einzigen Fenster Licht, von Leuchtreklame war erst recht nichts zu sehen. Nur ein schwacher Lichtschein im Zentrum der Stadt brach das bläuliche Dunkel. »Fahr dorthin«, sagte Rebecca vorsichtig.
    Schilder und Gebäude verrieten den Ehrgeiz der Stadt, Touristen anzulocken, aber die Ortschaft war sogar nach montenegrinischem Maßstab nur ein abgelegener Winkel, eingezwängt zwischen Bergen und Meer. Wer hierherkam, musste es wirklich wollen und bereit sein, dafür einige Anstrengungen in Kauf zu nehmen. Die Schönheit der karg bewachsenen Hänge und des Meeres konnte freilich niemand bestreiten. Außerhalb der Saison hatte es jedoch den Anschein, als müsste man den Touristen etwas dafür geben, dass sie ihren Urlaub in Pjevac verbrachten. Was man sah, waren bescheidene Restaurants, ein Stück steiniger Strand, primitive Herbergen, die den Namen Hotel trugen, eine halb fertige Minigolfanlage und einige klobige Wohnblocks aus Beton.
    Von den Häusern bröckelte der Putz, aus den Fenstern hingen rote montenegrinische Fahnen, und das verblasste Bild eines Mannes, der Christian unbekannt war, starrte von zerrissenen Plakaten. Auf den Straßen der Innenstadt sah man nach und nach mehr Menschen, und Christian musste einigen entgegenkommenden Autos ausweichen. Je näher sie dem Marktplatz kamen, umso belebter wirkte die Stadt auf einmal, obwohl es mitten in der Nacht war.
    »Was weißt du über die politische Lage in Montenegro?«, fragte Christian. »Als zur Debatte stand, dass Mark auf den Balkan soll, habe ich verfolgt, was dort passiert, aber dann haben sie ihn doch im Stützpunkt Wiesbaden behalten.« Am Marktplatz angelangt, traute Christian kaum
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